Während Obdachlose unter der Kältewelle leiden, zerschneidet eine New Yorker H&M-Filiale nicht verkaufte Kleidung und wirft sie in den Müll.

New York. Es war ein seltsamer Fund, den Cynthia Magnus vor einigen Tagen in New York machte. Unweit des Herald Square, mitten in der City, entdeckte die Studentin 20 Mülltüten. Randvoll gefüllt mit Kleidungsstücken und keineswegs abgetragen, sondern neu und durchaus im Trend der Zeit. Allerdings: Die T-Shirts, Jeans und Sweatshirts hatten die Entsorger vorsätzlich untragbar gemacht. Ärmel oder Hosenbeine waren aufgeschlitzt, Pullover „gelocht“ worden. Schnell fand Cynthia Magnus heraus, woher die Ware stammte: von dem Moderiesen H&M, der in New York gleich mehrere Filialen betreibt.

Seither hat das weltbekannte Unternehmen aus dem sozialen Musterstaat Schweden ein ordentliches Imageproblem. Denn zur gleichen Zeit hält eine Kältewelle die Ostküste der USA fest im Griff – und macht vor allem den zahlreichen Obdachlosen in New York und anderen Städten zu schaffen. In Hauseingängen, vor den Metrostationen und auf Parkbänken schlafen Menschen und versuchen, dem Dauerfrost zu trotzen – oft nur zugedeckt mit zerfressenen Wolldecken und alten Lumpen.

Dass diese Wohnungslosen für jede Spende auch nur halbwegs wärmender Kleidung dankbar gewesen wären, hat H&M in den USA jede Menge Negativschlagzeilen eingebracht. Inzwischen macht der Begriff vom „Trashgate“ die Runde, in Anlehnung an die Watergate-Affäre, die 1974 den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte. Diesmal, so Kritiker von H&M, trat der Skandal in Form von Müll, „trash“ eben, zutage.

Dass eine Sprecherin des Unternehmens etwas verlegen erklärte, dies sei keineswegs die normale Methode, unverkaufte Kleidungsstücke zu entsorgen, um Platz für die Frühjahrskollektion zu schaffen, konnte die Reputation der Modekette kaum retten. Einmal auf diese merkwürdige Art der Lagerleerung gestoßen, fanden aufmerksame Blogger und Reporter schnell heraus, dass H&M nicht allein ist. Auch die Supermarktkette WalMart scheint regelmäßig „Klamotten-Massaker“ begangen zu haben, wie die „New York Times“ herausfand. Allerdings hat das Familienunternehmen aus Arkansas sowohl bei Umweltaktivisten wie auch bei Gewerkschaften wegen seiner Methoden einen so zweifelhaften Ruf, dass diese Enthüllung weit weniger überraschte als bei den vermeintlich sozial und politisch überkorrekten Schweden.

Mit der Ankündigung, unverkaufte Ware künftig an Wohltätigkeitsorganisationen verschenken zu wollen, versucht H&M jetzt, das Ansehen der Firma zu retten – und damit auch die aktuellen Umsätze gerade in einer Stadt wie New York anzukurbeln. Nicht zuletzt der öffentliche Sturm der Entrüstung hat gezeigt, dass hier viele Bürger über ein sehr waches soziales Gewissen verfügen.

Ein Beispiel dafür ist die New York Clothing Bank: Seit mehr als 20 Jahren existiert diese Institution und sammelt Kleiderspenden von Privatpersonen und Geschäften und leitet sie an Bedürftige weiter. Im vergangenen Jahr kamen der Bank Waren im Wert von zehn Millionen Dollar zu. Über rund 250 wohltätige Organisationen wurden die Spenden an etwa 80.000 New Yorker verteilt.

Ob H&M künftig diesen konkreten Weg nutzen wird, ist offen. Das schlichte Wegwerfen der Kleidung erscheint jedenfalls auch aus einem anderen Grund mehr als widersinnig. In seiner Frühjahrskollektion stellt das Unternehmen eine neue, umweltbewusste Produktlinie vor. Sie besteht vornehmlich aus organischer Baumwolle – und aus recyceltem Polyester.