Reparaturarbeiten an der Unglücksstelle dauern länger als erwartet. Ein weiterer Zugunfall auf der Strecke hat das Chaos perfekt gemacht.

Neubeckum/ Vennebeck. Die Zuganzeigen auf der vielbefahrenen ICE-Ost-West-Route zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet und Rheinland verheißen derzeit für Reisende nichts Gutes. Glücklich darf sich dabei noch schätzen, wer stundenlang auf offener Strecke im warmen Zug ausharren muss. Wer aber richtig Pech hat, steht sich in klirrender Kälte auf den Bahnsteigen in Hannover, Hamm oder Köln die Beine in den Bauch. Gleich zwei Zugunglücke innerhalb von zwei Tagen auf der derselben Fernstrecke in Nordrhein-Westfalen haben der Bahn ein Winterchaos beschert.

Die Entgleisungen mehrerer Waggons – erst im Münsterland und dann im kaum hundert Kilometer entfernten Ostwestfalen – führten zu Streckensperrungen, zig Zugausfällen vor allem im Nahverkehr, zu weiträumigen Umwegen auf Fernstrecken und Verspätungen. Auch in den nächsten Tagen droht Ungemach, denn die Reparaturarbeiten gestalten sich äußerst schwierig – nicht zuletzt wegen der Kälte.

„Zum Glück wurde in beiden Fällen niemand verletzt – das ist doch schon mal was“, hieß es mit Galgenhumor am Abend in der Pressestelle der Bahn in Düsseldorf. Einen ersten Lichtblick konnte ein Sprecher der Deutschen Bahn noch am Abend verkünden: Ein Gleis von insgesamt vier Gleisen am zweiten Unglücksort nahe Vennebeck bei Minden sei wieder befahrbar. Die auf der Strecke von Berlin und Hannover gen Westen aufgestauten Züge würden nach und nach „sehr langsam“ an dem Nadelöhr vorbeigeleitet.

Dennoch: Im Internetportal der Bahn, wo Reisende aktuelle Informationen zu ihrem Start-Bahnhof abfragen können, wurden am Abend Verspätungen von rund zwei Stunden bei ICE-Zügen aus NRW angegeben. Bei etlichen Verbindungen in Ostwestfalen und ins nahe Niedersachsen gab es Zugausfälle.

Beim ersten Zugunglück, bei dem in der Nacht zu Dienstag bei Neubeckum im Münsterland mehrere Waggons eines Güterzugs mit über 40 Wagen entgleist waren, sieht es mit einer Freigabe des Streckenabschnitts dagegen schlechter aus: Vor Donnerstagabend tut sich da nichts, und auch das entscheide sich erst im Laufe des Donnerstags, bat ein Bahnsprecher um Geduld.

Die brauchen derzeit auch viele Reisende, werden sie vom Rheinland oder aus Niedersachsen kommend über Münster geleitet – mehr als eine Stunde kostet allein dieser Umweg. Viel mehr setzte den Reisenden aber die Informationspolitik der Bahn zu: Erboste Fahrgäste riefen bereits den ganzen Dienstag lang bei der Bahn an, weil sie auf Provinz-Bahnsteigen froren und nicht wussten, wohin.

Das jüngste Zugunglück, bei dem am Mittwochnachmittag vier leere Kohlewaggons eines 20-Wagen-Güterzugs entgleist waren, bedeutet nun eine „noch großräumigere“ (Bahn) Umleitung – von Berlin und Hannover via Paderborn-Altenbeken ins Rheinland. Alle Züge durch das Nadelöhr an der Unfallstelle zu leiten, ist zunächst nicht möglich. Und es sind viele Züge: Zwischen Nordrhein-Westfalen und Berlin fahren die ICE auf der betroffenen Strecke nahezu im Ein-Stunden-Takt.

Die Schäden an beiden Unglücksorten dürften in die Millionen gehen. Bei Neubeckum sind auf zwei Kilometer Länge Schienen, Oberleitungen, Hauptsignale und Weichen schwer beschädigt. In Vennebeck ist es nach Bahnauskunft „nur“ ein Kilometer, aber auch hier ist am „Oberbau“ viel zerstört – komplizierte Reparaturen stehen an, die sich Tage hinziehen dürften. „Donnerstag früh wissen wir für Neubeckum mehr, und mittags für Vennebeck“, versprach ein Bahn- Sprecher am Mittwochabend.