Noch hat die Queen das Zepter fest in der Hand. Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert erklärt, wie die Chancen von Prinz William stehen.

Hamburg/London. Die Gerüchte kamen immer wieder auf. Prinz William (27) wird von seiner Großmutter Queen Elizabeth II. (83) zu einem "Schatten-König" aufgebaut, der seinem Vater Prinz Charles (61) den legitimen Anspruch auf den Thron streitig machen könnte. Obwohl die Verfassung das Übergehen der Thronfolge fast unmöglich macht, waren erneut Berichte aufgetaucht, wonach die Queen ihrem Enkel mehr Pflichten übertragen werde. Nachdem bereits der Palast dementierte, stellte nun auch Williams Sprecher klar: "Ich will kein Schatten-König sein".

Was ist dran an den Spekulationen, Charles könnte übersprungen werden? "Das ist dummes Zeug", sagt Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert (72). Für ihn stand die Thronfolge nur ein einziges Mal, im Jahr 1997 nach dem Tode von Prinzessin Diana, auf wackligen Beinen. "Das war eine besondere Situation", sagt der Journalist, der seit Ende der 1970er-Jahre über den europäischen Adel berichtet. "Seitdem ist in Großbritannien nie wieder ernsthaft darüber diskutiert worden. Wer solche Gerüchte in die Welt setzt, hat vom Britischen Königshaus keine Ahnung."

Seelmann-Eggebert erklärt die Gründe: "Erstens hat Prinz William schon 1997 klargemacht, dass er dafür nicht zur Verfügung steht. Zweitens war Prinz Charles von vornherein voll in die Repräsentation des Königshauses eingespannt worden. Er hat schon mit 19 Jahren Aufgaben im Dienste der Krone wahrgenommen. Das war bei William nie der Fall. Er hat sich jetzt ein paar karitative Organisationen zugelegt, von denen früher seine Mutter Schirmherrin war. Darüber hinaus hat er keine Pflichten wahrgenommen. Die Ausnahme ist die Reise nach Neuseeland und Australien, wo er im Dienste der Queen unterwegs sein wird." Seelmann-Eggebert glaubt, dass dies eine Ausnahme bleiben wird. Für den Adelsexperten ist die Stellvertreterfrage lange gelöst. "Prinz Charles ist zum Prince of Wales gekrönt worden und als solcher ist er automatisch Thronfolger. Wenn er es nicht wollte, gäbe es eine förmliche Abdankungszeremonie, bei der er auf seine Rechte verzichten müsste. Die Queen kann nicht einfach sagen, sie baut jemanden als Nachfolger auf. Das würde sie auch nie tun, da es nicht der Tradition der Königshäuser entspricht, eine Generation zu überspringen."

Normalerweise nimmt das Königshaus zu Spekulationen nie Stellung. Umso ungewöhnlicher war die Klarstellung eines Sprechers von William: "Diese Möglichkeit wird noch nicht einmal in Erwägung gezogen", sagte er dem "Sunday Telegraph". Seelmann-Eggebert wundert es nicht: "Wenn es besonders dumm wird mit den Gerüchten, kommt es vor, dass die Betroffenen sich auch mal selber äußern."

Prinz Charles hat trotz langer Wartezeit nie durchblicken lassen, dass sein Interesse am Thron schwindet. Er ist vom ersten Lebenstag an darauf vorbereitet worden, einst die Krone zu tragen. "Man kann vielleicht sagen, dass es für jemanden, der die 60 überschritten hat, kein Spaß ist, sich vorzustellen, wenn Altersgefährten in Pension gehen, dass man dann seine große Aufgabe im Leben noch vor sich hat, aber er wird nie erwogen haben, die Nachfolge nicht anzutreten", sagt Seelmann-Eggebert.

"Prinz Charles wird in den kommenden Jahren zunehmend Aufgaben der Königin übernehmen. Dazu werden auch lange, anstrengende Reisen gehören." Denn auch die Queen, die mittlerweile 56 Jahre offiziell im Amt ist, wird nicht jünger. Will sie tatsächlich bis an ihr Lebensende auf dem Thron bleiben, wie sie es bislang immer gesagt hat? "Das ist sicher", sagt Seelmann-Eggebert. "Nach ihrem Verständnis ist sie Königin bis zum letzten Atemzug." Möglich, dass die Queen 101 Jahre alt wird, wie ihre Mutter. "Ob Charles noch König werden will, wenn er auf die 80 zugeht, ist eine andere Frage. Aber die stellt sich im Moment nicht."