Bei den systematisch zerschlagenen Knochen von rund 500 Menschen sei ein “Hungerkannibalismus“ ausgeschlossen.

Herxheim. Massenkannibalismus ist bei den Knochenfunden in einer jungsteinzeitlichen Grubenanlage im südpfälzischen Herxheim nach Einschätzung der Speyerer Archäologin Andrea Zeeb-Lanz nicht beweisbar. Vielmehr handle es sich bei den Skeletten und systematisch zerschlagenen Knochen von rund 500 Menschen um Relikte eines unbekannten Rituals, das vor rund 7.000 Jahren stattfand, sagte Zeeb-Lanz am Montag in Speyer dem EPD. Damit widersprach die Archäologin ihrem Kollegen Bruno Boulestin von der Universität Bordeaux, der gegenüber dem britischen Sender BBC am Sonntag den Fund als einen seltenen Fall von Kannibalismus in der Jungsteinzeit in Europa gewertet hatte.

Ein „Hungerkannibalismus“ sei ausgeschlossen, sagte Zeeb-Lanz, die ein 13-köpfiges internationales Expertenteam zur Auswertung der Funde leitet. Anhand der Knochenfunde lasse sich weder das Verspeisen von Menschenfleisch beweisen, noch die These, dass die Toten aus rituellen Gründen entfleischt worden seien. Nicht mehr haltbar sei die Annahme, dass es sich bei den Funden um Sekundärbestattungen handelt. Mit dem Ritual hätten die Steinzeitmenschen möglicherweise die Götter zur Abwehr einer Gefahr angerufen.

Gegen Ende der Periode der Bandkeramik kamen nach Worten von Zeeb-Lanz weit verstreute Gemeinschaften in dem Steinzeitdorf bei Herxheim zusammen. In einem Zeitraum von rund 50 Jahren sei es möglicherweise auch zu rituellen Tötungen gekommen. Dabei wurden Leichen zerlegt, Knochen zertrümmert und diese mit Gefäßen sowie unbrauchbar gemachten Steinwerkzeugen in Gruben gelegt. Im Jahr 1996 waren bei Grabungsarbeiten in Herxheim bei Landau in Gruben die Knochen entdeckt worden. Die Forscher gehen davon aus, dass in der nur teilweise ausgegrabenen Anlage bis zu 1.000 Tote unter der Erde liegen.