Ein Handy brachte die Polizei auf seine Spur. Nun werden die beiden Ausbrecher wohl nie wieder freikommen.

Schermbeck/Hamburg. Am Ende versuchte der Mörder auf einem silbernen Damenrad zu flüchten. Die Appelle der Polizei, sich zu stellen, hatte Peter Paul Michalski (46) offensichtlich nicht gehört. Seine letzten Meter in Freiheit verbrachte der Schwerverbrecher auf der tristen Bundesstraße 58 östlich von Schermbeck. Fast gemütlich radelte er im Ruhrgebiet, als eine Spezialeinheit ihn auf freier Strecke mit dem Auto rammte. Er war bewaffnet, aber anscheinend völlig überrumpelt. Freies Feld und wenige Büsche machten jeden Fluchtversuch von vornherein aussichtslos. Die Aktion verlief blitzschnell und unblutig. Michalski stürzte in einen Graben, dann klickten die Handschellen. Um 9.50 Uhr war sein Ausflug damit beendet. Der Zugriff erfolgte, nachdem Michalski einen klassischen Fehler gemacht hatte: Die Polizei ortete sein Handy.

Die Chronik der Flucht:

Tag 1: Gegen 20 Uhr überwinden Michalski und sein Komplize Michael Heckhoff (50) auf dem Weg zur Gefängnispforte fünf abgeschlossene Türen. Den Schlüssel haben sie in der Schlosserei angefertigt. An der Pforte schlagen sie einen Vollzugsbeamten zu Boden, fesseln und knebeln ihn und ziehen ihm eine Kapuze über den Kopf. Sie zwingen den Pförtner, die Tür zu öffnen und ihnen zwei Dienstwaffen und Handschellen auszuhändigen. Mit einem Taxi lassen sie sich nach Kerpen bringen. Zwei Beamte wollen 20 Minuten später die JVA verlassen und bemerken ihren gefesselten Kollegen. Außerdem entdecken sie in der Pforte den verwirrt wirkenden Justizvollzugsbeamten. Notruf. Die Polizei leitet die Fahndung ein.

Die Ausbrecher erreichen gegen 22.30 Uhr Köln, nachdem sie in Kerpen in ein weiteres Taxi umgestiegen sind. Am Dom steigen sie aus und bezahlen. Auf dem Weihnachtsmarkt kaufen sie sich "Pommes und Sprudel", so Heckhoff zur "Bild"-Zeitung. Die erste Nacht in Freiheit verbringen sie unter einer Brücke. Trotz Hubschrauber-Einsatz bleibt die Fahndung ohne Ergebnis.

Tag 2: Um13.30 Uhr nimmt die Polizei einen 40-jährigen JVA-Beamten aus Aachen fest. Er soll den Gangstern bei ihrer Flucht geholfen haben.

Am Nachmittag zwingen die beiden Geflohenen eine junge Frau in Köln, sie mit ihrem Auto nach Essen zu fahren. In Essen-Kettwig geht dem Wagen am Abend der Sprit aus, Michalski und Heckhoff fliehen zu Fuß weiter. Eine Fahndung unter anderem mit Hubschraubern und Wärmebildkameras im Essener Ausflugsgebiet Baldeneysee bringt keinen Erfolg. Laut Heckhoff laufen sie dort fast in eine Polizeistreife, dann verstecken sie sich unter zwei Schubkarren.

Tag 3: Am Morgen dringen sie in das Haus eines Ehepaares in Essen ein und verbringen dort zehn Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. "Sie aßen und tranken, guckten Fernsehen, duschten, zogen sich um, und einer der beiden schlief ein paar Stunden", heißt es im Polizeibericht. Sie bedrohen den 56-Jährigen und seine Frau (53) mit einer Waffe. Gegen 17.30 Uhr lassen sich die Gangster von dem Ehepaar nach Mülheim an der Ruhr - Heckhoffs Geburtstadt - fahren, wo sie ihre Geiseln unverletzt freilassen. Den Wagen parken sie in einer Seitenstraße.

Tag 4: 10.15 Uhr entdecken Passanten den Fluchtwagen und alarmieren die Polizei. 11.03 Uhr wird Heckhoff in der Nähe von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen. Michalski soll sich in unmittelbarer Nähe befinden. Heckhoff sei auf der Flucht gestürzt, er habe seinen Komplizen aufgefordert, ihn zurückzulassen, sagt er später. Die Ermittler verstärken die Sicherheitsvorkehrungen in Mülheim erheblich. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten stehen an den Straßen, zahlreiche Autos werden kontrolliert - ohne Erfolg. Die Polizei appelliert an Michalski, sich zu stellen.

Tag 5: Am frühen Morgen durchsucht ein Sondereinsatzkommando ein Hochhaus der Iduna-Versicherung in Mülheim, wo eine Tasche mit verschmutzter Kleidung gefunden wird. Dort habe sich im Laufe des Wochenendes mindestens einer der beiden Flüchtigen aufgehalten, sagt eine Polizeisprecherin. "Ernstzunehmende Hinweise" führen die Polizei auf eine Spur nach Bielefeld. Hier starten die Fahnder einen Großeinsatz.

Nach einem Zeugenhinweis wird am Abend ein Gelände in Gütersloh-Niehorst durchsucht. Auch ein Hubschrauber wird wieder eingesetzt.

Tag 6: Um 9.50 Uhr wird Michalski in Schermbeck im Kreis Wesel festgenommen. Noch am Abend schließen sich hinter ihm die Zellentüren - nicht in Aachen. Wo, verrät die Polizei nicht. Seinen Komplizen Heckhoff wird er auch nicht wiedersehen.