Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften bedauert die zusätzliche “Wettbewerbsverzerrung“.

Luxemburg/Hamburg. "Als Nächstes werden wir noch für das Wetter verantwortlich gemacht", sagt Heinz Joachim Schöttes, Sprecher von Germanwings und reagierte damit auf das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach steht Passagieren verspäteter Flüge nun ein pauschaler Ausgleich von - je nach Distanz - 250, 400 oder 600 Euro zu, wenn ihr Flug mindestens drei Stunden Verspätung hat. Fluggesellschaften müssten nur dann nicht zahlen, wenn die Verzögerung auf nicht beherrschbare außergewöhnliche Umstände zurückgeht. "Wir begrüßen das Urteil nicht", sagt Schöttes. "Wir warten unsere Flugzeuge auf höchstem Niveau und nun sollen wir bei Verspätungen aufgrund technischer Defekte im Normalfall zahlen." Dabei sollte die Flugsicherheit oberste Priorität haben, sagt Schöttes. Für EU-Airlines entstehe jetzt ein "klarer Wettbewerbsnachteil".

"Eine angemessene Passagierbetreuung bei Unregelmäßigkeiten ist für uns selbstverständlich", sagt dagegen Lufthansa-Sprecherin Amelie Schwierigholz. "Welche Konsequenzen das Urteil nach sich zieht, müssen wir erst einmal analysieren."

Verbraucher, die ihren Anspruch geltend machen wollen, brauchen Belege. "Als Erstes sollte man sich also am Flughafen die Verspätung bescheinigen lassen", sagt Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. Das gehe am Schalter, an vielen deutschen Flughäfen, aber auch an den zentralen Servicepunkten. Die Forderung sei immer an die Airline und nicht etwa an den Veranstalter zu richten. Ähnlich müssten Passagiere vorgehen, deren Flug ausfällt oder überbucht ist, riet Degott. Als Belege kommen etwa eine neue Bordkarte oder eine geänderte Flugnummer infrage. Auch wenn Fluggäste erneut einchecken und einen zweiten Gepäckschein erhalten, ist das ein Hinweis auf Annullierung. Bisher gab es pauschale Ansprüche nur bei "Annullierung" oder "Nichtbeförderung" des Fluggasts - weshalb vor den Gerichten heftig um die Auslegung dieser Begriffe gestritten wurde. Bei großen Verspätungen mussten die Fluggesellschaften bisher lediglich für Mahlzeiten oder Hotels sorgen oder - über fünf Stunden - den Flugpreis erstatten.

Der EuGH hat mit seiner Entscheidung die Tagesordnung des Bundesgerichtshofs (BGH) durcheinandergebracht. In Karlsruhe wurde gestern ebenfalls über die Ansprüche von Fluggästen verhandelt. Dort ging es um einen Flug vom Frankfurter Flughafen auf die Malediven im März 2008, der nach einer Zwischenlandung in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgebrochen wurde, weil dem Personal die notwendigen Visa fehlten. Die Kläger wurden auf einen späteren Flug umgebucht und kamen 30 Stunden zu spät an. Umstritten ist, ob dies nach der EU-Verordnung als "Annullierung" einzustufen ist. Der BGH-Senat sagte, er wolle vor seinem Urteil die Luxemburger Entscheidung auswerten. Die Klage der Malediven-Reisenden hängt folglich noch in der Luft.

Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) kritisierte das Urteil. "Die deutschen Fluggesellschaften gehören zu den sichersten und pünktlichsten Airlines weltweit", sagte der BDF-Geschäftsführer Michael Engel. Der Grund für Flugverspätung liege oftmals bei äußeren Einflüssen. Im täglichen Geschäftsbetrieb erleben Airlines etwa überfüllte Flughäfen und Staus in der Luft, was sich in Verspätungen auswirken kann.