Es sind zwei Urteile, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Da erhält ein deutscher Spitzen-Banker vor Gericht recht und 4,5 Millionen Euro Abfindung, obgleich seine Abteilung 5,7 Milliarden Euro in den Sand gesetzt hat. Eine Altenpflegerin wird gekündigt, weil sie sechs Maultaschen gegessen hatte, die sonst im Mülleimer gelandet wären.

Das Gericht entschied: Die Kündigung ist rechtens. Es sind solche gefühlten Ungerechtigkeiten, die dem in der Finanzkrise verbreiteten Empfinden nach dem Motto "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen" weiter Nahrung geben.

Zu Recht fragt man sich: Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? Der Verdacht liegt nahe, dass ein "Diebstahl" von Maultaschen, einer Frikadelle oder eines Pfandbons für einige Chefs der gesuchte Anlass ist, jemanden endlich loszuwerden. Das fatale Signal - gerade im Zeichen der Finanzkrise - lautet: Hier werden die "kleinen Leute" abgestraft.

Man kann sich darauf versteifen, dass hier im juristischen Sinne Tatbestände erfüllt sind. Und dass jeder Diebstahl, so nichtig die "Beute" auch ist, zur Entlassung führen kann. Doch was recht ist, ist noch lange nicht richtig. Hier geht es nicht darum, dass ein Mitarbeiter mutwillig seinen häuslichen Büro-Bedarf auf Firmenkosten deckt oder der Firma schadet. Es geht um Bagatelldelikte, die mit der juristischen Keule zum Vertrauensbruch stilisiert werden, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich macht. So ein Gebaren kann nicht im Geist des Kündigungsschutzes sein. Bei den Arbeitnehmern bleibt als emotionales Echo dieser Kündigungen: noch mehr Angst vor Jobverlust und dem damit einhergehenden sozialen Abstieg.

Dieser Angst können Gesetzgeber und Arbeitsrichter entgegenwirken - indem sie unverhältnismäßiger Härte einen Riegel vorschieben.