Die gefürchtete Chefredakteurin des amerikanischen Modemagazins hat eine starke Rivalin - die Französin Carine Roitfeld.

New York/Hamburg. Sie ist berüchtigt. Eiskalt, arrogant, rücksichtslos. Selbst gefeierte Modezaren wie Giorgio Armani (75) oder das Designer-Doppel Domenico Dolce (51) und Stefano Gabbana (47) zittern, wenn sie die neuesten Kollektionen bewertet. Anna Wintour (59) ist die Chefredakteurin der amerikanischen "Vogue" und Herrscherin in der 100-Milliarden-Dollar-Modewelt. Doch jetzt wackelt ihr Thron. Angeblich soll die Britin ersetzt werden. Die Konkurrenz ist ihre Kollegin Carine Roitfeld (54), Chefin der französischen "Vogue" - ganz so wie in dem Film "Der Teufel trägt Prada".

Auch in der Modewelt bröckeln die Umsätze. Die US-"Vogue" verzeichnete in der von der Wirtschaftskrise überschatteten Vergangenheit zunehmend Einbrüche in den Auflagenzahlen und bei Anzeigenkunden. Das von Wintour begründete Schwesterblatt "Vogue Living" musste eingestellt werden; der Ableger "Men's Vogue" wurde von neun auf zwei Erscheinungen pro Jahr reduziert. Die Konkurrenz-Zeitschrift "Elle" hat die "Vogue" bereits in der Zahl der Anzeigenseiten überholt. Harte Zeiten für die Leiterin der mächtigsten Modezeitschrift der Welt. Ob ein Regimewechsel die "Vogue" erneut beleben kann? Das wird zumindest derzeit vermutet.

Bereits Ende 2008 wurden Gerüchte zur Übernahme des Mutterblattes von der Französin Carine Roitfeld laut. Doch dieses Mal könnte etwas Wahres hinter dem Getuschel der Medien stecken. Wintour wird im November 60 - ein Alter, in dem alle ihre sechs Vorgängerinnen die Chefetage räumen mussten. Ob die französische Rivalin der Aufgabe aber gewachsen ist? Bisher betreute sie eine Auflage von rund 130 000 - die US-"Vogue" hat eine Auflage von mehr als einer Million Exemplaren und zusätzlich mehrere Schwesterblätter.

Im Alter von 38 Jahren besetzte Wintour 1988 den Thron bei der "Vogue". Die damals stagnierenden Auflagenzahlen konnte die "Ice Queen", wie sie von Kritikern genannt wird, in die Höhe treiben. Mit neuen gewagten Covern und einer konsequenten Führung konnte die Chefin das Blatt zur einflussreichsten Modezeitschrift der Welt katapultieren. Sie selbst etablierte sich als "Teufel" - gnadenlos und gefürchtet. In dem Bestseller "Der Teufel trägt Prada" verarbeitete Autorin Lauren Weisberger (32) ihre Erfahrungen als Assistentin an der Seite der offensichtlich "rücksichtslosesten Chefin der Welt". Selbst die mächtigste Fernsehqueen Amerikas, Oprah Winfrey (55), durfte angeblich erst auf das Cover, nachdem sie 20 Pfund abnahm. Wer Wintour gefällt, kann auf eine Karriere hoffen. So hat die Modeexpertin den Designern John Galliano (48) und Marc Jacobs (46) zu Ruhm verholfen. Aber ihre Kritik ist gefürchtet - auch bei den großen Schöpfern der Szene. Keine Modenschau beginnt ohne sie. Verurteilt die Journalistin eine Kollektion, können die Createure von Neuem arbeiten.

Doch der "Teufel" ist eine Frau voller Widersprüche. Gnadenlos und herrisch in der Modewelt, gilt sie als liebevolle Mutter zweier Kinder in der privaten Welt. Auch ihr soziales Engagement für Aids-Kranke, unterdrückte Frauen in Afghanistan und Hinterbliebene der Terroranschläge von 2001 zeichnet die schroffe Silhouette der Britin weicher. Vielleicht braucht eine Frau eine harte Schale, um sich in einer so einflussreichen Welt wie der Modeindustrie durchzusetzen.

Taktisches Geschick könnte ihr zumindest bescheinigt werden, wenn man den passenden Zeitpunkt ihres Kinodebüts betrachtet. Am 20. August feierte der Dokumentarfilm "The September Issue" in New York Premiere. Ein Film über die Entstehung der "Vogue"-September-Ausgabe 2007 - die Ausgabe, die wegen der Präsentation der kommenden Frühjahrstrends die wichtigste eines Jahres ist. Der Film scheint ganz gelegen zu kommen - wo doch jetzt die Gerüchte um die Entlassung Wintours wieder lauter werden. Die Publicity der "Vogue" wird dieser Film auf jeden Fall erhöhen. Ebenso wird er der Chefredakteurin und Hauptdarstellerin des Films zu neuer Präsenz verhelfen.

Wenn dies die Auflagen der Modezeitschrift steigen lässt, bleibt abzuwarten, ob Wintour tatsächlich das Zepter abgeben muss. "In der Mode geht es nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft", sagt sie im Film. Es scheint fast so, als wenn sie schon damals taktisch in die Zukunft blickte - ganz so, wie man sie kennt.