Nach schweren Unwettern waren zwei Flüsse über die Ufer getreten. Das Wasser riss Autos und Häuser mit sich.

Istanbul/Hamburg. Busse, die von den Fluten wie Spielzeug mitgerissen werden. Menschen, die sich in Todesangst an Autos und Laternenpfähle klammern. Dazwischen treiben Teile von Lastwagen, umgestürzte Bäume und eine Langnese-Kühltruhe. Die Bilder aus Istanbul zeigen mehr als deutlich, mit welch unerbittlicher Wucht und mit welchem Ausmaß die Wassermassen nach den heftigsten Regenfällen seit 80 Jahren gestern Morgen auf die Metropole am Bosporus getroffen waren.

Es war 7.30 Uhr, als die Fluten plötzlich durch die Straßen der türkischen Hauptstadt schossen. Mitten im morgendlichen Berufsverkehr wurden die Menschen in ihren Autos eingeschlossen und weggeschwemmt. Viele retteten sich mit letzter Kraft auf die Dächer ihrer Fahrzeuge und warteten dort auf Hilfe. Doch oft waren die Kräfte des mehr als einen Meter hoch stehenden Wassers zu stark, die Opfer hatten keine Chance.

So fanden Feuerwehrleute auf einem Lkw-Parkplatz acht Leichen. Die schlafenden Fahrer waren dort von den Fluten überrascht worden und konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen. Sieben Arbeiterinnen einer Textilfabrik im Stadtteil Halkali starben, als sie gerade aus einem Bus steigen wollten und von den Wassermassen mitgerissen wurden.

Obwohl die Opferzahlen immer wieder variierten, musste gestern von mindestens 31 Toten ausgegangen werden. Neben den 21 Ertrunkenen in Istanbul waren bereits am Dienstag bei schweren Unwettern im Nordwesten der Türkei neun Menschen ums Leben gekommen. Der Minister für Bauwesen, Mustafa Demir, sagte: "Wir sind sehr traurig über die Menschen, die ihr Leben verloren haben. Es werden immer noch Leute vermisst und wir suchen nach ihnen." Die offiziellen Stellen sprachen von acht Vermissten, unter ihnen ein Familienvater aus der Stadt Saray, der bereits am Dienstag mit seiner Familie auf ihrem Bauernhof von den Fluten erfasst worden war. Seine Frau und die drei Töchter starben, nach dem Mann wird weiter gesucht.

Nach Angaben des Stellvertretenden Gouverneurs der Provinz Istanbul, Hikmet Cakmak, waren rund 900 Feuerwehrleute und Helfer im Einsatz. Zudem versuchten die Rettungskräfte mit 220 Fahrzeugen, acht Booten und vier Hubschraubern die vom Wasser Eingeschlossenen zu befreien. 1000 Menschen seien seit Dienstag gerettet worden. Allerdings wurden große Teile der Infrastruktur zerstört. Allein in der Stadt Selimpasa wurden 800 Häuser und Geschäfte überflutet oder vom Wasser mitgerissen. Auch in Istanbul, insbesondere in den Vororten Ikitelli und Halkali, wurden Gebäude beschädigt. Zudem sind zwei Brücken zerstört worden.

Mehrere Hauptstraßen, einzelne Autobahnverbindungen nach Griechenland und Bulgarien sowie die Zufahrtsstraße zum Flughafen sind nicht mehr befahrbar. Zwar konnten alle Flugzeuge wie geplant starten, allerdings war der Flughafen für die Reisenden weder zu erreichen, noch konnten sie ihn verlassen.

In den Bereichen der überschwemmten Stadtteile, in denen das Wasser wieder abfloss, blieben Schlamm und Wrackteile zurück. Der türkische Ministerpräsident Rezep Tayyip Erdogan (55), der einst selbst Oberbürgermeister von Istanbul war, machte sich vor Ort ein Bild von der Lage.