Jetzt zieht es die 18 Jahre alte Leipzigerin hinaus in die Welt. Für ihr Studium bereitet sie sich in der Dominikanischen Republik vor.

Hamburg. Die Geburt eines Kindes bedeutet im Leben der Eltern eine riesige Veränderung. Das alte Leben liegt hinter einem, ein neues, aufregenderes Leben beginnt. Im Fall von Sarah Klier ging es am Tag ihrer Geburt allerdings nicht nur ihren Eltern so, sondern ganz Deutschland. Denn Sarah wurde am 2. Oktober 1990 in Leipzig geboren, zwei Minuten vor Mitternacht. Damit war sie das letzte Baby der DDR. Heute ist die junge Frau 18 Jahre alt. An die Deutsche Demokratische Republik, deren Bürgerin sie für 120 Sekunden war, kann sie sich nicht mehr erinnern: "Das Leben in engen Grenzen kenne ich nur aus Erzählungen. Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Natürlich habe ich in Geschichte was gelernt, und ich kenne das, was meine Mutti oder Bekannte erzählen. Aber ich persönlich verbinde nichts mit der DDR."

Ihre Mutter Evelin, mit der sie in Borsdorf bei Leipzig lebt, hat darum alle Erinnerungen an den besonderen Tag in einem Album gesammelt. Dort finden sich die Glückwünsche, die Familie Klier damals erhielt. Und das waren viele, denn das Bild vom ersten Schrei des letzten Kindes der DDR ging um den Globus. "Eine Fotografin war damals im Krankenhaus und wollte eigentlich das erste 'Einheits-Baby' fotografieren", erzählt die 18-Jährige. "Da hat die Hebamme zu der Fotografin gesagt: 'Nehmen Sie doch das letzte DDR-Kind. Das ist doch auch was.'" Zeitungen druckten das Foto - sogar im Ausland. "Von überall her haben wir danach Post bekommen, aus Frankreich, aus Afrika", berichtet Sarah. Ein Afrikaner schrieb ins weit entfernte Deutschland: "Ein Baby der Freiheit, ein Baby der Einheit. Das ist ein gutes Omen." Damit reihte er sich ein in die Reihe der Gratulanten, die das kleine, schreiende Bündel als Symbol für einen Neuanfang betrachteten.

Dabei war die Geburt eigentlich für den 7. Oktober geplant, den "Tag der Republik". Doch das 48 Zentimeter große und 3380 Gramm schwere Mädchen kam in bester Usain-Bolt-Manier schneller und verdiente sich damit den Titel des "Letzten Babys der DDR". Heute profitiert die junge Frau von diesem Ereignis nur bedingt. "Eigentlich lebt es sich damit ganz normal - außer dass bei mir jährlich Fotografen und Fernsehkameras auftauchen", gibt sie zu. "Im Alltag ist das überhaupt kein Thema. Man lacht mal drüber. Manchmal gibt es kleine Kommentare von Freunden - aber eigentlich ist es auch ausgeleiert."

Das Gymnasium hat die blonde Frau mit einem guten Abiturdurchschnitt von 2,6 beendet und möchte nun Tourismusmanagement studieren. Während ihre Mutter in der DDR vergeblich einen Ausreiseantrag stellte, will Sarah in den nächsten Monaten ein Praktikum in der Dominikanischen Republik machen. Dass sie in einer Ära der Freiheit und Demokratie ausgewachsen ist, zeigt sich in Sarahs Einstellung: "Für mich gibt es nur ein Deutschland, und heutzutage muss man flexibel sein. Ich bin es sowieso."