Polizei befürchtet nach Tagebuchfund den Selbstmord der Eltern. Suchaktion an den Flüssen im Aosta-Tal eingeleitet.

Rom. Die italienische Polizei vermutet das Schlimmste. Sie schließt einen Selbstmord des deutschen Paares nicht aus, das am Sonntag drei kleine Kinder in einer Pizzeria im Aosta-Tal zurückgelassen hat (wir berichteten). "Rettungskräfte suchen die Alpenflüsse in der Nähe ab", erklärte der leitende Polizist Alessandro Carmeli in Aosta. "Wir können eine Tragödie nicht ausschließen." Interpol ist eingeschaltet. Allerdings will ein Zugbegleiter den Mann gestern auf dem Weg nach Innsbruck erkannt haben. Er sei auch von einer Frau begleitet worden, die aber nicht wie die Gesuchte ausgesehen habe.

Die Kinder sollen morgen von den deutschen Behörden in Italien abgeholt werden. Den Eltern wurde das Sorgerecht entzogen. Nach italienischem Recht droht dem Paar eine Haftstrafe wegen Aussetzung ihrer Kinder.

Ina Caterina R. (26) und Sascha S. (24) aus Finnentrop im Sauerland waren am Sonnabend am Stadtrand von Aosta zu Fuß mit den Kindern im Hotel Joli angekommen. Wie sich später herausstellte, war ihnen das Benzin ausgegangen. Den Wagen, mit dem sie sich wenige Tage vorher auf die Reise gemacht hatten, ließen sie am Straßenrand stehen. In dem Drei-Sterne-Hotel nahm das Paar ein Zimmer für sich und das mit acht Monaten jüngste der drei Kinder. Am Anfang hätten sie wie normale Touristen gewirkt. "Der Kleine schlief in einem Kindersitz, den man im Wagen anschnallt", erinnert sich der Hotelwirt Ezio Gevroz. Die Tochter (4) und der Sohn (6) hätten im Nachbarzimmer geschlafen.

Das Paar habe ihm eine nicht gedeckte Kreditkarte vorgelegt. Bei ihrer Ankunft hätten die trotz Regen und Kälte nur leicht bekleideten Kinder einen verfrorenen Eindruck auf ihn gemacht. "Am Sonntag schien die Frau sehr aufgeregt, in Panik, als hätte sie Angst vor irgendetwas". Er habe den Gästen am zweiten Tag die nahe gelegene Pizzeria "Il Capanno" empfohlen.

Die Betreiber des Lokals behielten die drei Kinder im Auge, als das Paar am Sonntag kurz nach 21 Uhr nach dem Essen, angeblich für eine Zigarette, vor die Tür ging. Die Mutter ließ ihre Handtasche auf dem Tisch zwischen den Pizzatellern stehen. "Als sie nach einer Viertelstunde nicht wieder auftauchten, haben wir uns auf die Suche nach ihnen gemacht", berichtet Carmelo Casella, der mit einem Bruder die Pizzeria führt. "Sie waren spurlos verschwunden, da haben wir die Polizei gerufen." Die drei Kinder saßen derweil ruhig am Tisch. Irgendwann begann der Jüngste zu weinen. Andere Gäste bemühten sich trotz Sprachschwierigkeiten, sie abzulenken. Die Beamten brachten sie in einem Heim unter, wo alle drei zunächst gründlich untersucht wurden.

Die Polizei ermittelte inzwischen die Großmutter der Kinder, die bestätigte, dass es finanzielle Probleme in der Familie gegeben und ihre Tochter in der Vergangenheit Drogenprobleme gehabt habe. Sie möchte die Enkel zu sich holen, muss aber erst das Sorgerecht beantragen. Das Turiner Jugendgericht vertraute die Kinder zunächst der Obhut des Sozialamtes an. Der leibliche Vater der Kinder wurde 2006 zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er eine vierte Tochter so sehr geschüttelt hatte, dass sie starb. "Der Mann verbüßt eine Haftstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge", sagte gestern ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Siegen.

In der Handtasche der vermissten Mutter entdeckten die Ermittler auch ein Tagebuch, das angeblich düstere Zeichnungen und Hinweise auf mögliche Selbstmordpläne enthalten soll. Die Polizei teilte aber aus Rücksicht auf die Kinder keine Einzelheiten über den Inhalt mit.