Lotterleben im Buckingham-Palast? Es geht um Sex, eine vertuschte Vergewaltigung und dubiose Geschäfte. Übersteht das britische Königshaus die neuen Skandale?

Hamburg/London. Pomp und Circumstances im Jahr des goldenen Thronjubiläums von Elizabeth II., Jubelparaden und Feiern im Vereinigten Königreich, die traditionelle Thronrede der Queen im Parlament - noch einmal fiel soeben ein wenig Glanz längst vergangener Zeiten auf die Windsors, die als einzige königliche Familie Europas auch heute noch einen feudalen Stil inszenieren, der einem Shakespearischen Drama angemessen wäre. Stattdessen gibt "die Firma", wie sich die Royals selbst gerne nennen, wieder eine neue Folge der skandalgekrönten Seifenoper. Es geht um Sex, eine vertuschte Vergewaltigung, dubiose Geschäfte und ein Lotterleben im Buckingham Palace.

Die Geschichte ist ein wenig verworren - und irgendwie angefangen hat alles mit der unglücklichen Ehe des Thronfolgers Prinz Charles mit der nach ihrem Tod zur "Königin der Herzen" geadelten Diana. In den Mittelpunkt der Publicity ist der ehemalige Butler und Vertraute der geborenen Lady Spencer, Paul Burrell (44), gerückt. Der hat in aller Öffentlichkeit seine weißen Handschuhe abgestreift. Natürlich gegen Bares. Für 300 000 Pfund (480 000 Euro) hatte Burrell "seine Geschichte" an die Boulevardpresse verkauft. Und die geht in Grundzügen so:

Bei ihm waren bei einer Hausdurchsuchung im Januar 2001 rund 300 persönliche Gegenstände aus Dianas Besitz gefunden worden - darunter so private Dinge wie zärtliche Briefe an die Söhne William und Harry oder Schreiben ihres Schwiegervaters, in denen sich Prinz Philip zu wüsten Beschimpfungen hinreißen ließ. "Hure" und "Schlampe" waren dabei noch harmlos. In sich dagegen hatte es ein Tonband. Darauf hatte Diana 1996, ein Jahr vor ihrem Tod, mitgeschnitten, wie der ehemalige Palastlakai George Smith einen engen Vertrauten von Prinz Charles bezichtigte, ihn betrunken gemacht und dann vergewaltigt zu haben. Später habe der Mann - angeblich der engste Vertraute des Prinzen, Michael Fawcett, alias "Charlys Engel"- das noch einmal versucht.

Das alles aber kam nicht unmittelbar ans Licht der Öffentlichkeit, weil der Diebstahlsprozess gegen Burrell gestoppt wurde. Auf Weisung der Queen persönlich. Angeblich habe sich Elizabeth II. plötzlich erinnert, dass sie Burrell ihr Einverständis gegeben hätte, Dinge aus Dianas Besitz zu verwahren, hieß es in den Medien.

Was ist Tatsache? Was Hörensagen, was Spekulation? Feuer frei also für die Boulevardpresse. Dort meldete sich das Vergewaltigungsopfer schließlich selbst zu Wort und warf Charles vor, die ganze Sache verheimlicht zu haben. Diana habe sich die Vorwürfe von ihm als letzte Munition im Scheidungskrieg gegen Charles auf Kassette sprechen lassen, und der Prinz wolle das alles vertuschen.

Charles ließ dies umgehend zurückweisen. Aber ein Dementi ersetzt eben auch keine Aufklärung. So fragte der seriöse "Guardian", ob es am Ende eine "Vertuschung von Nixonschem Ausmaß" gegeben habe. Sogar die königstreue "Times" forderte: "Die Würde des Throns muss geschützt werden - aber ebenso muss das öffentliche Interesse an Ehrlichkeit berücksichtigt werden."

Bye-bye aristokratische Tugenden wie Pflicht, Ehre, Diskretion? Nach einer Umfrage der "Sunday Times" sind 90 Prozent der Briten der Auffassung, dass die jüngsten Skandale um das Königshaus der Monarchie schweren Schaden zugefügt haben. Als ob den Windsors die Krone zu groß werde. 67 Prozent glauben, die Monarchie könne eine Verlängerung ihrer Haltbarkeitsdauer nur durch Reformen erreichen. Jedenfalls sehen sich die königstreuen Briten getäuscht, die dachten, nach den Enthüllungen über ihren ewigen Thronfolger, der gern Tampon seiner Mätresse Camilla Parker Bowles wäre, sei das Schlimmste überstanden.

Auch gestern rauschte es wieder im Londoner Blätterwald. Ausführlich widmeten sich die Zeitungen - auch der seriöse "Observer" - angeblichen "Bombengeschäften", die Palastdiener mit dem Verkauf von Andenken und Geschenken aus dem Königshaus machen. Einer der Gärtner verkaufte eine Brieftasche von Prinz Charles mit königlichem Wappen und dem deutschen Motto "Ich diene" für 250 Pfund (400 Euro).

Zu den häufig in Zeitungsinseraten angebotenen Memorabilien gehörten laut Carroll unter anderem Dianas Haarlocken, ihre Briefe und Schmuck. "Die Königsfamilie schwieg zu diesem Handel. Nach all dem, was jetzt herausgekommen ist, fragt man sich, ob sie etwas zu verheimlichen hatte", sagte Carroll, die in Beverly Hills die Andenken verkauft. Die Bediensteten hätten "systematisch gestohlen".

Neben der angeblichen Vergewaltigung ist auch Fawcett in der Presse vorgeworfen worden, Geschenke, die Charles nicht haben wollte, mit Profit weiterverkauft zu haben. Fawcett bestreitet das.

Immerhin sah sich Prinz Charles angesichts der Ballung der Vorhaltungen gegen die Windsors zum Handeln gezwungen. Er beauftragte seinen Privatsekretär, Sir Michael Peat (56), mit einer internen Untersuchung der Vorfälle. Daraufhin konterten die Massenblätter sofort, die Kommission solle offenbar lediglich die schmutzige Wäsche "Ihrer Majestät" reinwaschen.

Inzwischen kursiert ein weiteres Gerücht, dass ein hochrangiges Mitglied des Königshauses bei homosexuellem Verkehr beobachtet worden sei. Mit einer Mischung aus Anwiderung und Amüsement mussten die Briten auch lesen, dass Butler Burrell in Dianas Auftrag für Prinz Willam Sex-Hefte kaufte. Und: Prinz Charles ließ sich, als er sich nach einem Reitunfall den Arm gebrochen hatte, im Krankenhaus von einem Diener die Flasche für die Urinprobe halten. 85 Angestellte soll der Prinz beschäftigen. Einer der Kammerdiener sei sogar dafür zuständig, die richtige Menge Zahnpasta auf die prinzliche Zahnbürste zu geben.

Da ist vom "Albtraum der Windsors" zu lesen und der "größten Krise seit 1936", als Edward VIII. aus Liebe zu der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson auf den Thron verzichtete. Mag das Königshaus auch diese Krise überstehen. Doch die Zeiten, in denen die Briten, die noch in den 50er-Jahren ihre Monarchen als gottgegeben hinnahmen, sind vorbei.

Die Royals drohen im Spagat zwischen Tradition und Trivialität ebenso die Balance zu verlieren wie die Öffentlichkeit den Respekt. Queen Elizabeth II. wirkt da beinahe wie ein antiquiertes Relikt. 76 Jahre alt, davon 50 auf dem Thron, preußisches Pflichtbewusstsein auf 161 Zentimetern. Abdanken will sie nicht.