Mit Windgeschwindigkeiten von gut 170 Kilometern in der Stunde hat Hurrikan “Ike“ am Sonnabend schwere Verwüstungen an der texanischen Küste angerichtet. Bisher ein Todesopfer zu verzeichnen.

Galveston. Wie ein gefährliches Raubtier schlich sich Hurrikan "Ike" an die texanische Küste, unberechenbar und zum Sprung bereit. Erst waren es nur Böen und Gischt. Mit dem Einbruch der Nacht dann scheint die Welt dem Ende nah: Strandpromenaden in Küstenorten wie Galveston werden zu Todeszonen, Straßen und Häuser versinken im Wasser, Straßenschilder und Wellblech fliegen, getrieben von der Macht der Naturgewalt, umher. Als der Monstersturm am Sonnabend noch Hunderte Hochhaus-Fenster in der Millionenmetropole Houston zertrümmert, werden die Folgen durch "Ike" langsam deutlich: Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe erwarten die Behörden. Doch die große Sorge galt zunächst jenen, die ihre Häuser an den Stränden nicht im Stich lassen wollten. Ihr Schicksal war zunächst völlig unklar.

Für die Rettungstrupps und Suchmannschaften war der Einsatz am Sonnabend noch zu riskant. "Wir wissen nicht, was wir am nächsten Tag vorfinden werden", sagte die Bürgermeisterin von Galveston, Lyda Ann Thomas, der Zeitung "Houston Chronicle". "Wir hoffen, dass jene, die nicht gehen wollten, wohlauf sind." Beinahe jeder zweite der rund 57 000 Bewohner wollte nicht flüchten, und das obwohl das Auge des Hurrikans genau über den Ort hinwegfegte. Stadtdirektor Steve LeBlanc bat die Medien darum, "bestimmte Dinge" nicht zu fotografieren. Er meinte Leichen, die möglicherweise umherliegen.

Von Tür zu Tür wollen die Helfer ziehen, vorbereitet auf möglicherweise grausige Szenen, wie der "Houston Chronicle" berichtet. Die Menschen, rät der Landrat des Bezirks Harris, Judge Ed Emmett, sollten sich noch Zeit lassen, bevor sie ihre Häuser in Augenschein nehmen. Auf Strom werden die Bewohner ohnehin über Wochen verzichten müssen. Die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA rechnete mit bis zu 100 000 überschwemmten Häusern und Wohnungen.

Die von Stürmen geplagte US-Golfküste kommt nicht zur Ruhe. Vorletzte Woche erst tobte Hurrikan "Gustav" an der Küste Louisianas, trieb knapp zwei Millionen Menschen in die Flucht und verfehlte New Orleans nur um Haaresbreite. Diesmal packten mehr als eine Million Menschen rund um Houston zusammen und suchten Schutz anderswo. An dramatischen Warnungen fehlte es nicht: Vor "katastrophalen Folgen", warnte etwa US-Heimatschutzminister Michael Chertoff.

Diese zeichneten sich schon bald ab: Millionen von Menschen in der wirtschaftlich wichtigen Region waren ohne Strom. Hochhausfassaden in Houston sahen mit ihren eingedrückten Fensterscheiben aus wie nach einer Bombenexplosion. Entlang der Küste reihen sich Raffinerien wie an einer Perlenschnur. Wer die Autobahn I-10 Richtung New Orleans fährt, dem steigt immer wieder Benzingeruch in die Nase, im Dunkeln leuchten die Anlagen wie Städte. Die durch die Ölpreisexplosion ohnehin hohen Spritpreise schossen in der betroffenen Region noch einmal in die Höhe. US-Präsident George W. Bush äußerte am Sonnabend seine Sorge über Wucher an den Tankstellen.

Auch die Gegend von New Orleans blieb nicht verschont von den Ausläufern von Hurrikan "Ike". US-Medienberichten zufolge setzten Überschwemmungen Hunderte von Häusern unter Wasser. Tausende Bewohner der Region mussten abermals ohne Strom auskommen, nachdem schon "Gustav" die Versorgung gekappt hatte. Wie in New Orleans wird vermutlich auch in Houston nun die Debatte neu entzündet, wie das reichste Land der Welt mit einem völlig veralteten Stromnetz lebt.

In der Gegend rund um Houston bemühten sich die Behörden zunächst, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Möglichst nicht ins Freie sollten die Menschen zunächst gehen, sagte Bezirks-Chef Emmett. Das Ausmaß der Schäden zu ermitteln, wird über Tage dauern.

Hurrikan "Ike" hat in Texas mindestens einen Menschen das Leben gekostet. Nördlich von Houston wurde eine Frau in ihrem Haus von einem Baum erschlagen. Wie die Polizei im Bezirk Montgomery mitteilte, lag die Frau in ihrem Bett, als der Baum auf das Haus stürzte. Es war das erste bestätigte Todesopfer durch den Wirbelsturm, der Sonnabendmorgen auf die texanische Küste getroffen war.