Dieter Degowski stellt Antrag auf Freilassung. Er und sein Komplize Hans-Jürgen Rösner erschossen im August 1988 zwei junge Geiseln.

Düsseldorf. Das Geiseldrama von Gladbeck hielt ganz Deutschland in Atem, das traurige Ende erschütterte Millionen Menschen. 54 Stunden lang irrten die Bankräuber Dieter Degowski (damals 32) und Hans-Jürgen Rösner (31) mit mehreren Geiseln durch den Nordwesten der Republik und erschossen zwei junge Menschen, die in ihrer Gewalt waren. Heute, fast genau 20 Jahre später, hat einer der beiden zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder ein Gnadengesuch gestellt. Dieter Degowski, heute 52, möchte nach zwei Jahrzehnten im Gefängnis auf freien Fuß kommen.

Sein Antrag werde bereits seit Juni bei der Gnadenstelle des Landgerichts Essen geprüft, sagt ein Sprecher des Justizministeriums in Düsseldorf. Wann über das Gesuch befunden werde, sei allerdings noch unklar. Die endgültige Entscheidung obliege Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Das Gericht gebe lediglich ein Votum ab.

Degowski und Rösner hatten am 16. August 1988 eine Bank überfallen und mehrere Geiseln genommen, zwei Tage später wurde das Duo endlich überwältigt und verhaftet. Im März 1991 verurteilte das Landgericht Essen Degowski und Rösner zu einer lebenslangen Haftstrafe. Für Degowski, der laut "Westfalenpost" noch bis 2013 in Haft bleiben muss, will sein Anwalt Rolf Bossi (84) nun um Gnade bitten. "Degowski war immer der kleine Hühnerdieb. Rösner war der Macher", sagte er der Zeitung. Dem müsse Rechnung getragen werden.

Die Bilder von damals gingen um die Welt. Wie das Foto mit dem angstverzerrten Gesicht der erst 18 Jahre alten Geisel Silke Bischoff entstand, weiß Winrich Granitzka (64), damals Direktor der Kölner Polizei, noch ganz genau: "Ein Journalist sagte: &39;Halt der noch mal die Knarre an den Hals, ich hab das Bild noch nicht&39;." Es sind Erinnerungen wie diese, die den Zeitzeugen Granitzka noch heute fassungslos machen beim Gedanken an eines der aufsehenerregendsten Verbrechen der Nachkriegszeit. Für viele war das Geiseldrama zwischen dem 16. und dem 18. August 1988 ein Trauma - für die Menschen in der Gewalt der Kidnapper, die Journalisten, von denen einige zu Mittätern wurden, und die Polizei, die auf einen solchen Einsatz nicht vorbereitet war.

Schließlich das blutige Ende auf der A 3, das Granitzka als Vizechef des Einsatzstabs in Kölns Polizeipräsidium miterlebte: Die Einsatzleitung habe nur deshalb den Zugriff an dieser Stelle befohlen, weil sie die Limousine der Gangster noch vor der Grenze zu Rheinland-Pfalz stoppen wollte, lautete der Vorwurf.

"Unsinn", sagt Granitzka. "Die Landesgrenze hat bei der Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt." Der frühere Leitende Polizeidirektor und heutige CDU-Fraktionschef im Kölner Rat verweist vielmehr auf eine Schussverletzung der Rösner-Freundin Marion Löblich, die letztlich den Ausschlag für den Zugriff gegeben habe. "Die Täter wurden immer irrationaler. Wir mussten fürchten, sie fahren zu einem Krankenhaus in Koblenz oder Neuwied, um Löblich dort unter Waffengewalt behandeln zu lassen."

Was dann beim Zugriff auf der Autobahn passierte, bezeichnet Granitzka als "schicksalhaft". Als der vorausfahrende SEK-Wagen zum Rammstoß gegen das Fluchtauto auf dem Seitenstreifen ansetzte, sei der Wagen der Gangster kurz angefahren - genug, um vom Polizeiauto an der falschen Stelle gerammt zu werden. Es folgte eine wilde Schießerei. "Nicht einmal 30 Sekunden später hörten wir den Hilferuf &39;Sanitäter, Sanitäter, die verblutet uns hier unter den Händen&39;." Silke Bischoff starb noch auf der Autobahn.


"Gladbeck", die TV-Dokumentation, heute (23.15 Uhr) im WDR Fernsehen