Pascal: Wird sein Schicksal nie geklärt? Zuwenig Beweise für Mord - mutmaßliche Kinderschänder aus jahrelanger U-Haft entlassen.

Saarbrücken. Sensationelle Wende im Fall Pascal (5). Seit fast zwei Jahren müssen sich zwölf Angeklagte wegen Mordes vor dem Landgericht Saarbrücken verantworten. Jetzt wird das Schicksal des Jungen möglicherweise für immer im dunkeln bleiben. Gestern ließ das Gericht alle Angeklagten frei - aus Mangel an Beweisen.

Die Hälfte der Beschuldigten war schon länger wieder auf freiem Fuß. Gestern wurden auch die letzten sechs Verdächtigen aus dem Gefängnis entlassen.

Pascal ist seit dem 30. September 2001 verschwunden. Er soll Opfer eines Kinderschänderrings in der Kneipe Tosa-Klause in Saarbrücken geworden sein.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Chudoba sagte, es bestünden "nicht nur theoretische Zweifel" an einer möglichen Verurteilung der Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Mordes. Es sei weder Pascals Leiche gefunden worden noch irgendwelche Blut- oder Spermaspuren. Dutzende Gäste der Tosa-Klause hatten ausgesagt, sie hätten nichts von einem Kindesmißbrauch mitbekommen. Die Anklage wirft den vier Frauen und acht Männern vor, Pascal in dem Lokal mißbraucht und getötet zu haben.

Wenig Gewicht räumt das Gericht dabei der Aussage der Mitangeklagten Andrea M. (41) ein. Sie hatte behauptet, die letzten Stunden Pascals miterlebt zu haben. Sie präsentierte dem Gericht allerdings mehrere Versionen. Um den schreienden Jungen zu beruhigen, habe sie ihm ein Kissen ins Gesicht gedrückt, lautet eine Variante. Allerdings hatte erst kürzlich ein psychiatrischer Gutachter der "geistig minderbegabten" Frau "Sorglosigkeit im Umgang mit Fakten" bescheinigt.

Die Staatsanwaltschaft hält die Freilassung für unberechtigt und kündigte Beschwerde beim Saarländischen Oberlandesgericht an. Die Vertreterin der Nebenklage, Claudia Willger-Lambert, betonte, die Freilassung sei noch kein Freispruch. "Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich der Mordvorwurf doch noch bestätigt." Nun werde es im Kern um den sexuellen Missbrauch an Bernhard M. (10) gehen, dem damaligen Spielkameraden Pascals.

Der Sohn von Andrea M. lebt in einer Pflegefamilie. Bei der Aufklärung dieser Vorwürfe stehe der Prozeß erst am Anfang und werde noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Chudoba.

Die Strafen bei einer eventuellen Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs stehen aber nach Meinung des Gerichts in keinem Verhältnis zur bisherigen U-Haft von bis zu dreieinhalb Jahren. Auch deshalb seien die Angeklagten freigelassen worden. Der Verteidiger der Tosa-Wirtin Christa W. (53), Walter Teusch, geht davon aus, daß das Verfahren "jetzt zügig abgewickelt wird".

Was die Angeklagten nun auf den Straßen Saarbrückens erwarten könnte, war schon gestern spürbar. "Asoziales Pack!" zischte eine Zuhörerin Martin R. entgegen. Der Angeklagte soll Pascal als letzter vor dessen Tod vergewaltigt haben. Er sagt: "Ich bin unschuldig." Auch die Tosa-Wirtin sah sich durch ihre Haftentlassung bestätigt. Sie wolle bis zu einem Freispruch kämpfen.