Erfroren: Deutsche Bergsteigerin telefonierte noch mit ihren Eltern und der Bergwacht, bevor sie starb

Chamonix. Bergsteigen war ihre Leidenschaft. Rahel Maria Liu (34) bezahlte sie mit dem Tod. Die Deutsche erfror im Schneesturm am Montblanc, weil die Rettungshubschrauber nicht starten konnten.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Tübingen war zunächst allein unterwegs. An einer Pinnwand in Chamonix, wo sie auf dem Zeltplatz übernachtet hatte, entdeckte sie den Eintrag des Bergsteigers Edward Allen (49) aus England. Auch der Brite suchte einen Bergsteiger-Kompagnion. Beide trafen sich zur Besteigung des Montblanc.

Edward Allen, der den Kälteinbruch überlebte, berichtet von seinem Krankenbett in Aosta (Italien) aus: "Am Freitag sind wir in Frankreich losgefahren, da war klares Wetter. Am Sonntag begann der direkte Aufstieg über die italienische Seite. Auf 4500 Meter Höhe überraschte uns ein Schneesturm, die Temperatur stürzte bis auf minus 20 Grad."

Der Brite macht sich große Vorwürfe, Rahel Maria nicht zum Umkehren bewegt zu haben: "Ich habe ihr immer wieder gesagt, wir müssen zurück. Doch sie wollte weitermachen. Ich hätte hartnäckiger bleiben sollen."

Das Paar konnte über Rahels Handy noch die Bergrettung im italienischen Courmayeur alarmieren, doch der Sturm war zu stark, die Hubschrauber mussten am Boden bleiben. Die Verständigung habe zunächst recht gut geklappt, zumal er deutsch spreche, sagte der Rettungsleiter Adriano Favre. Als der Wind immer stärker wurde, tauschten die Deutsche und die Bergwacht SMS-Nachrichten aus. Favre: "Wir wussten, dass ihre Kräfte schwanden." Die junge Frau habe ihren Rucksack verloren, aber im Schlafsack Schutz gegen die eisige Kälte gesucht. Die Retter rieten den Bergsteigern, am Grat Zuflucht zu suchen. Während Allen dies gelang, schaffte Rahel den Aufstieg nicht mehr.

Drei Tage lang fror die junge Frau im eisigen Wind. Sie telefonierte sogar noch mit ihren Eltern. Allen: "Durch den Sturm sank die gefühlte Temperatur auf minus 40 Grad. Ich konnte nichts tun, um sie zu retten. In der Nacht von Montag auf Dienstag entglitt sie mir immer wieder in die Bewusstlosigkeit, sie weinte viel, sagte: ,Wenn die Hubschrauber nicht bald kommen, sterbe ich.'"

Am Dienstag versuchte der Engländer, zwei Schneelöcher zu graben. "Als ich zurückkehrte, lag Rahel leblos im Schnee. Das Eis hatte ihre Willenskraft besiegt." Edward Allen verbrachte eine Nacht neben der Leiche. Am Mittwoch kam endlich ein Hubschrauber. Der Brite wurde mit einer Körpertemperatur von 32 Grad gerettet, Die Deutsche lag 40 Meter von ihm entfernt - tot.

Der Brite kam mit leichten Erfrierungen an den Händen davon. Rahel, die in Braunschweig groß wurde und Theologie, Germanistik sowie Philosophie studierte, war eine erfahrene Bergsteigerin. Klettern war neben der Musik ihr größtes Hobby (Internet-Adresse: http://homepages.uni-tuebingen.de/rahel-maria.liu/).