Weltraum: NASA schickt Raumsonde Messenger auf die Reise zum Merkur. Sie soll den geheimnisvollen Planeten erforschen.

Hamburg. Der innerste Planet unseres Sonnensystems ist ein scheuer Geselle. Nur selten lässt er sich am Himmel blicken und dann auch nur für kurze Zeit, tief am Horizont, fast unsichtbar am hellen Dämmerungshimmel. Tschin-Sing nannten deshalb die Chinesen den Merkur: der Planet, der nur stundenweise zu beobachten ist. Bei den alten Griechen und Römern galt er als Bote der Götter, da er sich schneller als alle anderen Planeten am Himmel bewegt. Nun bekommt der scheue Götterbote Besuch von einem Boten der Menschheit. Gestern Morgen um 8 Uhr 15 (Ortszeit 2 Uhr 15) donnerte am Cape Canaveral die amerikanische Planetensonde Messenger (engl. für Bote) an der Spitze einer Delta-2-Rakete ins All. Der irdische Bote hat eine lange Reise vor sich: Dreieinhalb Jahre dauert der Flug der Sonde zum sonnennächsten Planeten, wobei Messenger im Juli 2005 noch einmal an der Erde sowie im Oktober 2006 und im Juni 2007 an der Venus vorbeisaust, um im Schwerefeld dieser Planeten Schwung zu holen. Nachdem Messenger den Merkur erreicht hat, muss seine Bahn zunächst langwierig an jene des flinken Götterboten angeglichen werden.

Im März 2011 kann Messenger dann endlich in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Merkur ist eine kleine Welt: Mit einem Durchmesser von knapp 4900 Kilometern ist er nach Pluto der zweitkleinste Planet des Sonnensystems, kleiner noch als die größten Monde der Planeten Jupiter und Saturn. In der glühenden Strahlung der nahen Sonne − der Abstand des Merkur von der Sonne beträgt mit 58 Millionen Kilometern nur etwa ein Drittel der Entfernung Erde−Sonne − heizt sich die Oberfläche des Planeten tagsüber auf über 400 Grad auf. Doch keine schützende Atmosphäre hält die glühende Hitze fest: Nachts kühlt der Merkurboden auf unter minus 200 Grad ab. Messenger ist erst der zweite Besuch, den der Merkur von der Menschheit erhält. In den Jahren 1974 und 1975 flog die Sonde Mariner 10 mehrfach am Merkur vorbei und fotografierte dabei knapp die Hälfte der Planetenoberfläche.

Entsprechend lückenhaft sind auch heute noch die Kenntnisse der Astronomen über den sonnennächsten Planeten: Immerhin ist über die Hälfte seiner Oberfläche noch Terra incognita oder besser: Mercurius incognita. Neben einer Unzahl von Kratern, entstanden durch den Einschlag von Asteroiden und Kometen, zeigen die Mariner-Bilder auch mehrere Hundert Meter hohe Klippen, die sich teilweise über Hunderte von Kilometern hinweg erstrecken. Dabei handelt es sich nach Ansicht der Forscher um Altersfalten, die sich beider Abkühlung des Planeteninneren und der damit verbundenen Schrumpfung der Planetenkruste gebildet haben. Der Vorbeiflug der Mariner-Sonde bot den Astronomen auch die Gelegenheit, die Masse des Planeten zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass der Merkur eine unerwartet große Dichte besitzt: Offenbar macht sein aus Metall bestehender Kern rund 65 Prozent des Planeteninneren aus. Das ist im Verhältnis doppelt so viel wie bei der Erde. Die Planetenforscher haben unterschiedliche Ideen, wie Merkur zu einem so großen Kern gekommen sein könnte. So könnte beispielsweise die große Hitze der Sonne in der Entstehungsphase des Planeten einen Großteil der leichteren Elemente einfach verdampft haben. Die von Messenger gemessene chemische Zusammensetzung der Merkuroberfläche soll nun Aufschluss über die Entstehungsgeschichte des Merkur und seines großen Metallkerns geben. Auf ein weiteres Rätsel stießen die Astronomen 1991, als sie den Merkur erstmals von der Erde aus mit Radarstrahlen abtasteten.

Die großen Krater an den Polen des Merkur reflektierten die Strahlung ungewöhnlich gut und zeigten sich daher als helle Flecken auf den Radarkarten. Die starke Reflektion sprach für eine Substanz, die die Planetenforscher in der Gluthölle des Merkur als Letztes erwartet hatten: Wassereis. Im Gegensatz zur Erde steht die Rotationsachse des Merkur fast exakt senkrecht auf seiner Bahnebene. Dadurch gibt es auf dem sonnennächsten Planeten keine Jahreszeiten wie auf der Erde, bei denen mal der Nord-, mal der Südpol stärker der Sonnenstrahlung ausgesetzt ist. Die Sonne steht an den Merkurpolen, also stets am Horizont, die Kraterwände werfen lange Schatten − und so liegt das Innere vieler Krater in ewiger Dunkelheit und Kälte. Einfallende Meteoriten und Kometen könnten über die Jahrmilliarden Wasser zum Merkur transportiert haben, das sich in diesen vor dem Sonnenlicht geschützten Regionen niederschlagen und gefrieren konnte. Ähnliche Regionen, in denen Wassereis vermutet wird, finden sich auch an den Polen des Erdmonds. Messenger ist mit mehreren Detektoren ausgestattet, mit denen die Sonde die chemische Beschaffenheit des Merkurbodens untersuchen soll. Damit ließe sich auch Wasser auf oder nahe der Oberfläche nachweisen. Da der Merkur sich stets in der Nähe der Sonne aufhält, ist er von der Erde aus nur schwer zu beobachten. So konnte der Planet bis heute viele seiner Geheimnisse bewahren. Vielleicht kann der irdische Bote dem Boten der Götter schon bald diese Geheimnisse entreißen.