Der Gourmetführer “Michelin“ richtet über die Spitzenküche und gilt als Bibel der Branche. Da liegt es nahe, auch die besten Gottesdienste mit drei Sternen zu adeln oder passender: mit Kerzen samt Skala von eins bis fünf.

Der Gourmetführer "Michelin" richtet über die Spitzenküche und gilt als Bibel der Branche. Da liegt es nahe, auch die besten Gottesdienste mit drei Sternen zu adeln oder passender: mit Kerzen samt Skala von eins bis fünf. Diese Idee kam Camillo Langone, einem Katholiken aus Parma, wohl in einer Kirche, die ihm nicht genug Ablenkung von seinen Berufspflichten als Restaurantkritiker bot. Also durchstreifte der für seine "scharfe, manchmal ätzende Feder" bekannte Schreiber systematisch Gotteshäuser in Rom. Seine Kirchenkritiken, in loser Folge abgedruckt in der Tageszeitung "Il Foglio", gibt es in seiner Heimat jetzt als Buch: "Guida alle messe", auf Deutsch "Der Messen-Führer".

Weil Langone Weihwasser natürlich nicht nach seinem Geschmack beurteilen kann, muss er sich auf andere Kriterien verlassen - wie die gefühlte Stimmung. Kommt die Musik vom Band? Oder wird die Orgel live bespielt? Sind die Kerzen aus Wachs? Oder brennen elektrische Opferlichter? Mufft es nach Weihrauch? Und sind die Kniebänke gepolstert, wie in Santa Susanna, wo ihn zudem die "hellen Stimmen der jungen Zisterzienserinnen" betörten? Dort gab es allerdings Punktabzug, weil keine der 25 Nonnen Zeit gefunden hatte, das Weihwasserbecken aufzufüllen.

Denkbar wären noch tiefer schürfende Qualitätsmerkmale, etwa über Inhalt und Verständlichkeit einer Predigt. Doch selbst in deutschen Landen, der Heimat Luthers (der Kanzelrednern empfahl: "Machs Maul auf, machs weit auf, hör bald auf!"), sind alle Profi-Kirchenkritikversuche gescheitert. Pfarrer sind meist nicht begeistert.

Immerhin bietet das Internet eine Oase, so die Rubrik "Gottesdienstkritiken" des evangelischen Monatsmagazins "Chrismon". Über Hamburgs Flussschifferkirche heißt es: ",Willkommen auf der Kirche', sagt ein freundlicher Herr am Eingang. Auf der Kirche, es ist ja ein Schiff, aber drinnen ist es mehr Kirche, wenn auch ohne steinerne Prachtentfaltung und üppigen Altarschmuck. Warm und bescheiden, freundlich, ein bisschen spießig." Na, das klingt doch fast wie von dem italienischen Kollegen!