Zwei europäische Rotkreuzmitarbeiter und eine Einheimische sind am Donnerstag in der philippinischen Unruheprovinz Sulu verschleppt worden: Die bewaffneten Täter hielten das Rotkreuzauto an, zerrten den Fahrer und zwei Insassen aus dem Wagen, übernahmen das Steuer und brausten mit ihren Geiseln davon, berichteten Augenzeugen der Polizei.

Manila. Lösegeldforderungen wurden zunächst nicht gestellt. Die Region ist eine Hochburg der muslimischen Terrororganisation Abu Sayyaf, die mit spektakulären Entführungen schon mehrfach Millionenbeträge erpresst hat.

Bei den Opfern handelt es sich um Andreas Notter (38), den Leiter des Büros des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Zamboanga City auf der Insel Mindanao rund 875 Kilometer südlich von Manila, sowie dessen italienischen Mitarbeiter Eugenio Vagni (62) und die einheimische Ingenieurin Mary Jean Lacaba (44), wie auch das IKRK in Genf bestätigte. Die drei hatten ein Gefängnis in der Provinzhauptstadt Jolo inspiziert, in dem das IKRK beim Bau einer Abwasseranlage hilft, sagte IKRK-Sprecher Roland Bigler in Manila. "Die Mitarbeiter waren in einem Auto des philippinischen Roten Kreuzes unterwegs, als sie ein paar hundert Meter vom Gefängnistor entfernt verschleppt wurden", sagte er. Das IKRK gab an, nicht zu wissen, wer die Entführer sind oder was ihre Motive sind.

Die drei wollten nach Armeeangaben anschließend zurückfliegen, verpassten aber die verabredete Maschine. "Wir haben sofort Alarm geschlagen und wir sind hinter den Entführern her", sagte Armeesprecher Generalleutnant Nelson Allaga. Die Sicherheitskräfte fanden das Fluchtauto drei Stunden später verlassen an der Straße. "Wir sind auf der richtigen Spur", sagte der Gouverneur der Provinz Sulu, Abdusakur Tan. "Ich hoffe, wir werden sie bald haben."

Im Frühjahr 2000 verschleppten Abu Sayyaf-Extremisten die deutsche Familie Wallert und andere Touristen von einem nahen malaysischen Taucherparadies nach Jolo. Sie wurden wochenlang durch den Dschungel getrieben. Renate Wallert kam erst nach zwölf Wochen frei, ihr Mann und ihr Sohn nach Lösegeldzahlungen mehrere Wochen später. Im Juni 2008 war ein philippinisches Fernsehteam verschleppt und zehn Wochen festgehalten worden.

Die muslimischen Extremisten kämpfen für einen eigenen Staat, separat von den überwiegend katholischen Philippinen. Im vergangenen Jahr hat das Militär eine neue Offensive gegen die Separatisten gestartet. Die Kämpfe haben zehntausende Menschen in die Flucht getrieben. Das IKRK verdoppelte sein Personal in der Region auf 70 und hilft bei der Versorgung der Vertriebenen. Das IKRK ist seit 1982 auf den Philippinen und hat dort gut 130 Mitarbeiter, 26 davon Ausländer. In der Erklärung aus Genf hieß es, die Organisation werde ihre humanitären Hilfsmaßnahmen ungeachtet des Vorfalls fortsetzen.