Zielfahnder hatten mehr als ein Jahr nach dem Italiener gesucht. Sein Motiv war Blutrache. Mit Bildern zu den Mafia-Morden.

Duisburg. Rund eine Million Euro fand die Polizei im Versteck des mutmaßlichen Mafia-Killers Giovanni Strangio (30), einen Berg falscher Pässe und "natürlich" ein Waffe. Dennoch lebte der der Italiener, der wegen der sechs Mafia-Morde von Duisburg europaweit gesucht wurde, fast wie im Gefängnis. Aus Angst vor Entdeckung verließ er seinen Unterschlupf in einem gutbürgerlichen Wohnhaus in Amsterdam fast nie. Ein winziger Fehler hatte auf seine Spur geführt. Während der mehrtägigen Observation sei Strangio nur ein einziges Mal kurz auf die Straße getreten, um seiner Frau (23) zu helfen, Einkäufe hineinzutragen, berichtete Kriminaldirektor Holger Haufmann am Freitag in Duisburg. Dieses Verhalten sei typisch für so genannte Latitanti, von der Polizei gesuchte Mitglieder der Mafia.

"Wenn diese Menschen untertauchen, lassen sie sich kaum noch bei Tageslicht sehen. Die kommen nicht mehr raus aus ihren Bunkern. Sie begnügen sich damit, auf kleinstem Raum zu leben", berichtete Haufmann. Für ihn stelle sich die Frage, wie lebenswert eine solche Existenz überhaupt noch sei. Dabei war die Gefahr, erkannt zu werden, wohl eher gering. Selbst die Polizei konnte Strangio, der sich die Haare blond gefärbt hatte und eine andere Frisur trug, unter seiner tief ins Gesicht gezogenen Baseball-Kappe nicht mit Sicherheit identifizieren. Dass sie auf der richtigen Spur waren, verriet ihnen nur die Tatsache, dass er von seiner Frau und seinem Sohn (2) begleitet wurde.

Strangio gilt als Hauptverdächtiger für das Mafia-Massaker von Duisburg am 15. August 2007. Im Fluchtauto war seine DNA direkt neben Schmauchspuren gefunden worden. Außerdem wurden Telefongespräche abgehört, in denen er vor der Tat eine Abrechnung angekündigt hatte. Wenige Tage vor dem Massaker soll er versucht haben, in Deutschland Großraum-Magazine für die bei der Tat verwendeten Schusswaffen vom Typ Beretta 93 R zu kaufen. Hintergrund der Tat ist nach den Ermittlungen eine Mafiafehde gewesen - und Blutrache. Eines der Opfer des Duisburger Blutbades, Marco Marmo (25), soll am 25. Dezember 2006 im kalabrischen San Luca eine nahe Verwandte von Strangio erschossen haben.

In der Fünf-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im bürgerlichen Amsterdamer Stadtteil Diemen lebte Strangio zusammen mit seiner Familie sowie seinem in Italien zu neun Jahren Haft verurteilten Schwager Francesco Romeo und dessen Ehefrau Theresa. Auf die beiden konnte sich Strangio uneingeschränkt verlassen. "Die Bekämpfung der 'Ndrangheta ist so schwierig, weil wir es hier mit familiären Strukturen zu tun haben. Wer Mittäter verpfeift, verpfeift Verwandte. Das findet so gut wie nie statt", berichtete Haufmann. Doch diese ausgeprägten Familienbande waren es auch, die Strangio letztlich zum Verhängnis wurden. Auf seine Spur kamen die Fahnder, als drei Schwestern Strangios im November vergangenen Jahres nach Amsterdam reisten. Aufwendige Observationen zeigten dann, dass Amsterdam offenbar zu einem regelrechten Rückzugsraum für die 'Ndrangheta, die kalabrische Mafia, geworden war. Bereits damals wurde dort im Zuge der Ermittlungen der in Italien zu einer 14-jährigen Haftstrafe verurteilte Giuseppe Nirta festgenommen. Er ist mit einer Strangio-Schwester verheiratet. Und in seiner Wohnung fand sich der entscheidende Hinweis: eine deutsche Feinstaubplakette, ausgestellt auf den Wagen des Frankfurters Kontaktmannes Romeo. Dieser winzige Fehler ermöglichte es den BKA-Zielfahnder, sich auf seine Fersen zu heften und so fanden sie schließlich Strangios Versteck in Amsterdam.

Bei der Festnahme von Strangio und Romeo ging das niederländische Spezialeinsatzkommando jedenfalls kein Risiko ein und stürmte die Wohnung ohne Vorwarnung. "Bei Personen, die für einen Sechsfach-Mord in Frage kommen, klopft man nicht an die Tür", sagte Haufmann. Kein Wunder, dass Strangio völlig überrascht war, als die Fahnder bei ihm "anklopften". Er ließ sich wiederstandslos festnehmen.