Operation Marcy: Unter Leitung von Sachsen-Anhalt wurden 38 Internet-Tauschringe gesprengt. 530 Verdächtige allein in Deutschland ermittelt.

Magdeburg. Mit der Operation "Marcy" haben Ermittler unter Federführung Sachsen-Anhalts in einer weltweiten Aktion 38 international agierende kinderpornographische Zirkel gesprengt. In 166 Staaten wurden rund 26 500 tatverdächtige Internet-User aufgespürt, 530 von ihnen in der Bundesrepublik. Die Hälfte der Beschuldigten hat ein Geständnis abgelegt. "Dennoch haben wir hier nur die Spitze des Eisbergs", resümierte am Freitag der Direktor des Magdeburger Landeskriminalamts (LKA), Frank Hüttemann. Er wies darauf hin, dass die Tatverdächtigen nicht etwa aus Randgruppen stammten oder "arme Irre" seien. Vielmehr seien die Pädophilen "quer durch die Gesellschaft und Bildungsstufen zu finden". So gehören zu den Tatverdächtigen unter anderen Lehrer, Betreuer von Kindersportmannschaften, ein Heilpraktiker für geistig behinderte Kinder, ein Pfarrer, der in der Kinderbetreuung tätig war, sowie fünf Polizisten und ein Beamter des Bundesgrenzschutzes. Bei einem Stadtabgeordneten sei bei der Durchsuchung zudem Kokain im Büro und Cannabis im Garten entdeckt worden, berichtete Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad. "Die Kinder werden für diese Menschen zur Befriedigung der sexuellen Lust als Ware behandelt", fügte Innenminister Klaus Jeziorsky hinzu. Zudem ließen "Millionengewinne alle Hemmschwellen fallen". Justizminister Claus Becker beklagte, dass die Sexualpraktiken immer gewalttätiger und die dabei abgebildeten Kinder immer jünger würden. Der Politiker warnte, dass eine Verharmlosung der Debatte nicht angebracht sei. Die Leute, die sich in der Szene tummelten, "geben sich zunächst mit dem Anschauen der Bilder zufrieden". Später würden viele dazu übergehen, "sich selbst sexuell an Kindern zu vergreifen". Und: "Jeder Klick tötet eine Kinderseele", warnte Becker. Der CDU-Politiker sprach sich für eine deutliche Verschärfung des Strafrahmens aus. Der bloße Besitz von Kinderpornographie wird derzeit in Deutschland mit einer Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet. Die Tatverdächtigen, die jetzt durch die Operation "Marcy" ermittelt wurden, müssen allerdings mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren rechnen. Ihnen wird die bandenmäßige Verbreitung von Kinderpornographie vorgeworfen. In die 38 abgeschlossenen Zirkel seien die Mitglieder ausschließlich über Password aufgenommen worden. Zudem musste jeder quasi als Eintrittsgeld selbst ein Foto ins Netz stellen. "Wir haben es hier mit ganz neuen Dimensionen zu tun", resümierte Becker. Das jüngste auf den Bildern abgelichtete Kind war ein vier Monate alter Säugling. Und die Brutalität nimmt zu, wie der Direktor des Magdeburger Landeskriminalamtes, Frank Hüttemann, berichtet. "Ohne Zwangsmaßnahmen wie beispielsweise Fesseln geht nichts mehr." Viele der mutmaßlichen Täter seien zudem Sextouristen, die regelmäßig nach Thailand fahren. Die Opfer stammten zunehmend aus sozial schwachen Ländern, viele aus Osteuropa, wo Eltern ihre Kinder für die Fotos anbieten, sagte der LKA-Chef. Die Täter seien "größtenteils homosexuell und pädophil", fasste Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad zusammen. Die Ermittlungen wurden rund ein Jahr lang geführt. Auf die Schliche gekommen waren die Beamten den internationalen Zirkeln in Magdeburg. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft hatte gegen den 26-jährigen Gründer eines der Zirkel, Marcel K., Anzeige erstattet. Aus Marcel wurde die Aktion "Marcy", die mit der Auswertung der Computer begann und schließlich zu dem weltweiten Erfolg gegen Kinderpornographie führte. "Wir haben einmal über das Internet gemäht", sagte Peter Vogt von der Staatsanwaltschaft Halle. Das Gestrüpp sei nur gelichtet. "Aber wir kriegen sie alle."