Muhen für die Wissenschaft: Der deutsche “Dr. Dolittle“ entschlüsselt die Botschaften der Kühe.

Braunschweig. Kühe sind keine kommunikativen Tiere, glauben Sie? Weit gefehlt! Denn Muh ist nicht gleich Muh. Eine Kuh, die fressen will, muht anders, als wenn das volle Euter drückt oder die Brunst beginnt. Kühe brummen, brüllen, brausen auf - besonders laut wird es, wenn sie durstig sind. Der einzige Wissenschaftler in Europa, der die Sprache der Kühe erforscht, ist Professor Dr. Gerhard Jahns (62), der in Anlehnung an den berühmten Romanhelden Dr. Dolittle auch gelegentlich "Dr. Kuhlittle" genannt wird. Außer ihm hören weltweit nur zwei weitere Forscher in Kanada und einer in Japan den Kühen und ihren MuhRufen so genau zu. Jahns Spezialgebiet am Institut für Biosystemtechnik an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig ist die so genannte Bioakustik - das Erkennen und Verstehen von tierischen Lauten. Der Ingenieur, der seit drei Jahren offiziell im Ruhestand ist, betreut sein bis 2007 laufendes Forschungsprojekt voller Hingabe - und mit dem nötigen Respekt vor den Tieren. Seine Devise für den großen Lauschangriff im Kuhstall: abhören und analysieren, ohne dabei das natürliche Verhalten der Tiere zu beeinflussen. Jahns: "Wir können die Kühe ja nicht darum bitten, zu muhen, sondern müssen mit viel Geduld auf die unterschiedlichen Laute warten." Bislang hat Jahns sieben "Muh-Botschaften" herausgefiltert: Kuh ruft Kalb, Kuh ruft Kuh, Husten, Brunft, den Beschwerdeschrei für verspätetes Melken, Schmerzen sowie Hunger (und Durst). Wird eine Kuh beim Füttern vergessen, kann aus dem gemächlichen "Muh" schnell ein energisches "Mööhh" werden. Sehr viel mehr Rufe erwartet der Wissenschaftler aber nicht: Jahns: "Das Laute-Repertoire der Kühe ist nicht sehr umfangreich." Dafür sind seine Erwartungen an die Muh-Forschung umso größer: "Wahrscheinlich sind unsere Erkenntnisse über die Kühe sogar allgemein auf Tiere übertragbar", vermutet Jahns. Mathematische Modelle sollen dabei helfen, den noch ausstehenden Nachweis zu erbringen. Welches Tier ließe sich denn mit Kühen und ihren Lauten vergleichen? Jahns: "Theoretisch jedes. Ich glaube, wir müssen nur ein ausreichend großes Repertoire an Tierlauten erfassen, um den Beweis erbringen zu können." Heißt das, alle Tiere "sprechen die gleiche Sprache"? "Nein, das tun die Menschen ja auch nicht." Erwiesen sei jedoch, dass Tiere sogar mit fremden Arten "kommunzieren", etwa über Warnrufe bei Gefahr. "Wenn beispielsweise der Eichelhäher diesen Schrei ausstößt, warnt er damit nicht nur andere Vögel." Jahns Vision, die im Kuhstall Wirklichkeit werden könnte: ein Computersystem zur Ruferkennung, das wie ein Sprachcomputer funktioniert. Dadurch sollen Bauern ihre Tiere in Großbetrieben überwachen und "verstehen" - um zu erfahren, wann eine Kuh fruchtbar oder krank ist. Klar, dass nicht nur das Wohlbefinden der Tiere, sondern auch die Erträge steigen sollen: Nur glückliche Kühe geben auch viel Milch . . .