Der in Berlin niedergeschossene Rocker der Hells Angels schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. Ein Unbekannter hatte am Sonntagmorgen mehrmals auf seinen Oberkörper geschossen; nach Medienberichten waren es sechs Kugeln. Die Polizei sucht weitere Zeugen des Geschehens.

Berlin. Der Aufruhr im Rockermilieu hält die Hauptstadt weiter in Atem. Nach dem Anschlag auf ein führendes Mitglied der Rockergruppe „Hells Angels“ am Sonntagmorgen in Berlin ermittelt die Polizei weiter mit Hochdruck. Die Opposition im Abgeordnetenhaus kündigte am Montag an, eine Sondersitzung des Innenausschusses zum Thema Rockerkriminalität zu beantragen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer forderte unterdessen weitere Verbote der verfeindeten Motorradclubs „Hells Angels“ und „Bandidos“.

Der 47-jährige Präsident der Berliner Ortsgruppe „Nomads“ war am Sonntag auf offener Straße mit mehreren Schüssen aus nächster Nähe niedergestreckt worden. Noch sind die Hintergründe unklar. Es gibt Spekulationen, wonach ein Machtkampf innerhalb der „Hells Angels“ dahinter steckt. Die Wohnung sowie das Lokal des lebensgefährlich verletzten Rockers in Berlin-Hohenschönhausen seien durchsucht worden, um Beweismittel sicherzustellen, teilte die Polizei mit. „Das hat wohl schon Auswirkungen auf die Szene, wenn der Präsident eines Rockerclubs lebensgefährlich verletzt wird“, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf am Montag. Er hält die Lage für brisant.

Der Zustand des Verletzten ist nach Polizeiangaben weiter kritisch. Wie die "Bild“-Zeitung berichtet, soll der 47-Jährige mit sechs Kugeln niedergestreckt worden sein. Mindestens eine Kugeln habe die Herzgegend des Mannes getroffen. Er liege im Koma, heißt es in dem Bericht weiter. Die Polizei konnte die Angaben nicht bestätigen.

Auch zu Berichten, nach denen Opfer und Täter sich kannten, konnte die Sprecherin nichts sagen. Die Fahndung nach einer konkreten Person sei bisher nicht möglich. Eine Zeugin, die die Schüsse gehört hatte, könne den Täter nicht identifizieren. Die Polizei suche deshalb dringend nach weiteren Zeugen.

In der Nacht zum Montag durchsuchten Polizeibeamte die Wohnung und das Lokal des niedergeschossenen Rockers und stellten Beweismittel zur Auswertung sicher. Was genau gefunden wurde, gab die Polizei nicht an. Unklar ist weiter der genaue Tathergang. Zwar hatte eine Anwohnerin laut Polizei an der Zingster Straße in Hohenschönhausen Schüsse gehört, „aber entgegen unserer ersten Annahme kann sie den Täter nicht wiedererkennen“, sagte Neuendorf. Sie habe wohl Stimmen gehört, war aber zu weit weg vom Geschehen. Die Polizei sucht noch nach weiteren Zeugen.

„Die Verunsicherung in der Szene ist derzeit recht groß“, sagte der Chef des Berliner Landeskriminalamtes (LKA), Christian Steiof. Auch die Polizei berichtet von einer großen Unruhe. „Für uns kann das nur bedeuten, dass Gefahr abwehrende Maßnahmen wie Kontrollen und Durchsuchungen erhöht werden“, betonte Neuendorf.

Der 47-Jährige Rocker, der auch als enger Vertrauter von Hells-Angels-Frontmann Frank Hanebuth aus Hannover gilt, war Medienberichten zufolge schon einmal das Opfer eines Anschlags. Im Juni 2009 wurde er im brandenburgischen Finowfurt schwer verletzt. Als Angreifer werden bis heute die Bandidos vermutet. In Bottrop kamen am Montag zahlreiche Motorradrocker zur Beerdigung eines Ende Mai erschossenen „Bandidos“-Mitglieds.

Im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sollte es am Montag eigentlich um undichte Stellen bei der Polizei vor einer Razzia gegen Rocker gehen. Weil aber erhebliche Fragen zum Informationsleck und zum aktuellen Stand der kriminellen Machenschaften der Clubs offenblieben, einigten sich die Oppositionsparteien Grüne, Linke und Piraten darauf, ein Extratreffen zu beantragen.

Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte Ende Mai eine Gruppe der Hells Angels verboten. Dabei hatte die Polizei mit einem Maulwurf zu kämpfen. Bevor die Fahnder zuschlagen konnte, lösten die Hells Angels MC Berlin City ihren Club selbst auf. Noch hat die Polizei das Leck nicht gefunden.

Der Innenausschuss habe gezeigt, dass der Fokus auch noch intensiver auf legale Geschäfte gelegt werden müsse, sagte der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber am Montag. Hells Angels-Chef Hanebuth soll in Hannover ganz legal Gaststätten, Bordelle, Immobilienfirmen und Sicherheitsdienste betreiben.

Ein Sprecher im Bundesinnenministerium bekräftigte am Montag, dass ein bundesweites Verbot von Rockerclubs nur möglich sei, wenn sich bundesweite Strukturen nachwiesen ließen. Ende Mai hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärt, ein bundesweites Verbot prüfen zu lassen.

Mit Material von dpa und dapd