Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will die Länder ermuntern, Rockerclubs schneller zu verbieten. Die Polizei war in den vergangenen Tagen immer wieder mit Großrazzien gegen die Hells Angels vorgegangen, zuletzt am Mittwoch in Berlin und Potsdam.

Berlin. Die Polizei in der Hauptstadtregion erhöht den Druck auf den Rockerclub „Hells Angels“. Nachdem Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) am Dienstagabend die Berliner Ortsgruppe „MC Berlin City“ verbat, folgte am Mittwochabend eine groß angelegte Razzia in Potsdam. Rund 200 Polizisten durchsuchten ein Lokal in der Charlottenstraße und stellten vor allem Waffen sicher. Axtstiele, Macheten, Pfefferspray sowie eine Schussweste fanden die Beamten bei den 21 Rockern in der Bar. Bei einem 35-Jährigen stellten sie zudem eine größere Menge Bargeld unbekannter Herkunft sicher. Mehrere Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz wurden aufgenommen.

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Brandenburg will offenbar verhindern, dass kriminelle Rocker aus Berlin in das Umland ausweichen und dort ihr Unwesen treiben. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hatte bereits am Mittwoch angekündigt, die Rocker erwarte in Brandenburg ein „ungemütliches Pflaster“. Nach dem Einsatz am Abend fügte der Leiter der zuständigen Polizeidirektion hinzu: „Wir dulden keine rechtsfreien Räume im Land Brandenburg. Potsdam ist kein ruhiger Rückzugsort für ehemalige Mitglieder von in Berlin verbotenen Rocker-Vereinen“.

Einige Rocker hatten dies aber offenbar gehofft. Anfang der Woche hatte sich die verbotsgefährdete Gruppe der Bandidos „Southside“ aufgelöst, um sich danach teilweise den „Hells Angels“ in Potsdam anzuschließen. Tatsächlich trafen die Beamten bei der Razzia in Potsdam auch Personen an, „die bis vor kurzem der Berliner Rockerszene zuzurechnen waren“, wie es in einer Mitteilung hieß.

Um effektiver gegen kriminelle Rocker vorzugehen, will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Länder ermuntern, Rockerclubs schneller zu verbieten. Da bundesweite Verbote noch nicht möglich seien, müsse man sich auf die regional begrenzten Verbote konzentrieren, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz im mecklenburgischen Göhren-Lebbin. Die kriminellen Strukturen der Banden seien nicht zu unterschätzen. „Da muss man sehr, sehr hart und konsequent durchgreifen“, forderte er.

Für Ärger sorgte am Mittwoch der offensichtliche Verrat des geplanten Verbots einer Berliner Hells Angels-Vereinigung. Die Opposition fordert nachdrücklich Aufklärung. Die Polizei erstattete nach eigenen Angaben am Mittwoch Anzeige wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt. Aus Sicht des Innenexperten der Linken Hakan Tas müssen Innensenator Henkel und Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers dazu im parlamentarischen Innenausschuss Rede und Antwort stehen. Auch Henkel zeigte sich entsetzt darüber, dass der Einsatz gegen den Rockerclub im Vorfeld bekannt wurde.

Den anwesenden Mitgliedern des Vereinsheims in der Residenzstraße in Reinickendorf war laut Polizei die Verbotsverfügung bereits am späten Dienstagabend zugestellt worden. Darin werden dem Club unter anderem Gewalttaten, Waffendelikte und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Rund 50 Beamte sicherten zunächst das Vereinsinventar.

Am frühen Mittwochmorgen begann dann eine Großrazzia im Stadtgebiet. 550 Beamte seien im Einsatz gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Durchsucht wurden 30 Wohnungen und drei Lokale, die von Mitgliedern betrieben werden. Insgesamt wurden acht Motorräder, verschiedene Hieb- und Stichwaffen sowie Mobiliar sichergestellt. Gegen zwei Personen, die sich wehrten, wurden Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet.

Henkel hatte bereits am 24. Mai ein Verbot der Ortsgruppe „MC Berlin City“ angeordnet. Mit ihm werde ein Signal ausgesandt, „dass wir Rechtsbrüche, aus welcher Richtung auch immer, nicht dulden werden“, unterstrich der Innensenator.

Rocker lösen Anhängergruppen auf

Für den Einsatz hatte die Berliner Polizei Verstärkung aus mehreren Bundesländern erhalten. Der ursprünglich für Mittwoch geplante Großeinsatz wurde laut Polizei wegen Presseveröffentlichungen vorgezogen. Unter anderen hatte „Spiegel Online“ berichtet, dass die Polizei plane, am Mittwochmorgen Vereinsheime, Kneipen und Privatwohnungen von Rockerclubs zu durchsuchen.

Um dem zu entgehen, hatte es zuvor einen Wechsel innerhalb der Rockerszene gegeben. Wie die Brandenburger Polizei bestätigte, löste sich das verbotsgefährdete Chapter der Bandidos „Southside“ nach einer Abschlussparty auf, um sich danach teilweise den Hells Angels in Potsdam anzuschließen. Brandenburg ist nach Darstellung von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) für Berliner Rocker jedoch seit langem „ein ungemütliches Pflaster“.

Henkel fordert Aufklärung

Unterdessen forderte Henkel mit Blick auf die undichte Stelle in der Polizei Koppers auf, die Umstände der Einsatzplanung und die Durchführung zu prüfen sowie Konsequenzen zu ziehen. „Die Weitergabe von Informationen im Vorfeld von Einsätzen gefährdet den Einsatzerfolg und schlimmstenfalls auch das Leben der eingesetzten Polizeibeamten“, unterstrich er.

Aufklärung forderte auch die Polizeigewerkschaft GdP. Ein möglicher Maulwurf in den Reihen der Polizei müsste „mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, sagte Landesgeschäftsführer Klaus Eisenreich der Nachrichtenagentur dapd.

Bereits im März war am Berliner Landgericht ein 24-jähriger Polizeianwärter wegen Verrats von Dienstgeheimnissen zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Grund: Er hatte einen mitangeklagten Freund des Motorradclubs Hells Angels per SMS vor polizeilichen Durchsuchungen gewarnt.

Mit Material von dapd