Käufer zahlen Millionen für schicke Bungalows nahe Bondi Beach in Sydney. Eine Messie-Familie macht Nachbarn den Alltag zur Hölle.

Sydney. Es ist Donnerstag. Der Müllwagen fährt vorbei an den gepflegten Vorgärten in der Boonara Avenue. In der Ferne rauscht die Brandung – es ist nicht weit zum Surferparadies Bondi Beach. Knallrote Mülltonnen stehen vor den Gartentoren. Nur bei einem Haus nicht. Aus dem verwilderten Garten dringt Gestank. Um den vormals hübschen Bungalow türmen sich Müllsäcke, kaputte Möbel, Baumaterial und anderes Gerümpel. Eine ältere Frau wirft misstrauische Blicke auf die Passanten. Sie wohnt in dem berüchtigten „Müllhaus“ von Bondi. Seit mehr als 20 Jahren hortet sie ihren Müll – zum Missfallen der Nachbarn und der Stadtverwaltung.

„Wir haben ein extremes Niveau erreicht“, sagt John Wakefield, der Bürgermeister des zuständigen Stadtteils Waverley. Für das Problem gebe es auch in absehbarer Zukunft keine Lösung, fürchtet er, denn mit den beiden Töchtern lebe bereits eine zweite Messie-Generation in der Boonara Avenue. „Es ist ganz klar, dass sie auch mitmachen,“ sagt der verzweifelte Bürgermeister. Seine Hände seien aber gebunden.

Der Stadtrat hat alle rechtlichen Möglichkeiten durchdiskutiert - ohne Erfolg. Das Haus gehört der Familie, ein Rauswurf ist daher nicht möglich. Gründe für eine Entmündigung von Amts wegen gebe es nicht, das machen wiederholte – und teilweise erfolgreiche – Klagen der Familie gegen Verwaltungsstrafen klar, so die frustrierten Beamten. Man habe sogar einen Zwangsverkauf diskutiert, erzählt Wakefield.

Es gebe viele unbezahlte Rechnungen für die Entsorgung des Mülls, der regelmäßig auf die Straße quillt. „Ich muss mich vor die Anwohner stellen und sagen: „Ich bin kein Diktator, ich bin schließlich nicht Stalin„“, sagt der Bürgermeister. „Wir müssen den ordentlichen Rechtsweg beschreiten.“

Drei- oder viermal im Jahr lässt die Stadt per Gerichtsbeschluss Müll aus dem Garten entfernen. Das Haus selbst ist für die Behörden tabu. Regelmäßig erhebt die Messie-Mutter vor Gericht Einspruch. Anfang Mai bekam sie vor einem Berufungsgericht wegen eines Formfehlers recht. Der Zirkus geht von vorne los und der geräumte Garten ist binnen kürzester Zeit wieder vollgemüllt.

Die Messie-Mutter sei in Rechtssachen sehr belesen, erzählt Wakefield. „Sie hat mich einmal angerufen und war sich ihrer selbst und der Situation erstaunlich bewusst. Sie wusste sehr genau, was sie tun darf und was nicht.“ Psychologe David Foxley sagte als Experte bei einem der Verfahren aus. Er glaubt nicht, dass Messies ein klar definiertes psychologisches Problem haben. Der Zwang, Dinge zu horten, sei eine Ausprägung von tiefer liegenden Problemen. „Es kann alles sein“, sagt er. Viele Messies werden vom Müll krank. „Sie sagen zwar, dass sie glücklich sind, aber es ist sicher eine ganz persönliche Hölle für sie.“

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Die regelmäßigen Müllräumungen der Behörden könnten das Messie-Problem der Familie sogar noch verstärken, warnt er. Patienten müssen dazu gebracht werden, selbst aufzuräumen. Das sei die einzig wirksame Therapie. Die Bewohnerinnen des Messie-Hauses lehnten bislang jede Hilfe ab.

Für die Nachbarn, die um den Wert ihrer millionenschweren Häuser fürchten, ist jedoch klar: Die Stadtverwaltung geht nicht streng genug und konsequent gegen die Messies von nebenan vor, sagt Nachbar Steve Johnson einem lokalen Radiosender. „Die Verwaltung war faul.“ Er macht sich Sorgen um die Krankheitsgefahr, die von der Müllhalde im Nachbargarten ausgeht. Das Müllhaus schrecke zweifelsohne potenzielle Käufer ab, sagt Immobilienmakler Andrew Cassar. Doch: Kein Verkäufer müsse wegen der Messies große Preisabschläge in Kauf nehmen, so der Makler. Selbst das Haus der Messie-Familie sei etwa 1,5 Millionen Euro wert. (dpa)