300 Polizisten suchen entführte Bankiersfrau. Wurde sie nach Scheitern der Geldübergabe einfach zurückgelassen?

Heidenheim. Die Kidnapper der Bankiersgattin aus Heidenheim sind auf Tauchstation gegangen. Nach der gescheiterten Geldübergabe gab es auch am Freitag kein Lebenszeichen von der 54-jährigen Maria B. Die groß angelegte Suche der Polizei in einem Waldgebiet nahe dem Wohnhaus der Familie blieb ohne Erfolg.

Die Ehefrau des Vorstandschefs der Kreissparkasse Heidenheim und Mutter zweier Kinder war am Mittwoch aus ihrer Wohnung entführt worden. Kurz darauf erhielt ihr Ehemann einen Anruf. Ein Unbekannter verlangte 300 000 Euro. Der Ehemann ging auf die Forderung ein und deponierte das Lösegeld - wie vereinbart - neben der Autobahn. Es wurde jedoch nicht abgeholt. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr mit dem oder den Entführern.

Nur in etwa jedem 50. Entführungsfall wechselt tatsächlich Geld den Besitzer

Mehr als 300 Beamte und mehrere Rettungshunde durchkämmten den Bereich in der Nähe der Autobahn 7 zwischen Heidenheim und Aalen, wo die Lösegeldübergabe gescheitert war. Aus der Bevölkerung sind mehr als 30 Hinweise bei der Polizei eingegangen, die alle geprüft werden. Eine heiße Spur gab es aber nicht. Nach dem Auto der Entführten, das der oder die Täter möglicherweise als Fluchtfahrzeug benutzt hatten, wird ebenfalls gesucht.

Der Psychologe Rudolf Egg, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Nürnberg, schätzt die Überlebenschancen von Maria B. als gut ein: "Etwa 90 Prozent aller entführten Personen kommen lebend wieder frei." Dass die Entführer sich nicht mehr gemeldet haben, sei nachvollziehbar: "Sie haben einfach momentan nichts zu sagen und brauchen Zeit." Laut Egg scheitern die meisten Entführer bei der Geldübergabe. Nur in etwa jedem 50. Fall wechsle tatsächlich Geld den Besitzer.

"Entführungen und Geiselnahmen sind zumindest in Mitteleuropa selten", sagt Stefanie Rösch vom Trauma-Informations-Zentrum Konstanz. Laut Bundeskriminalstatistik gab es 2008 insgesamt 5037 Fälle der Freiheitsberaubung, 71 Fälle von erpresserischem Menschenraub und 44 Geiselnahmen. Nach deutschem Strafrecht werden diese Straftaten unter dem Begriff Entführungsdelikte zusammengefasst.

Ein Anreiz für Entführer ist, die Höhe des Lösegeldes bestimmen zu können

Die Suche der Ermittler konzentrierte sich auf ein Waldstück zwischen dem Wohnhaus der Entführten und der Ablagestelle des Lösegeldes. "Möglicherweise wurde die Frau von ihren Entführern im Wald zurückgelassen", sagte ein Polizeisprecher. Egg sieht das ähnlich: Häufig gerieten die Entführer nach einer gescheiterten Geldübergabe in Panik und ließen ihr Opfer zurück. Kidnapper seien jedoch selten erfolgreich: 90 Prozent aller Entführungsfälle würden aufgeklärt.

Warum kommt es trotzdem immer wieder dazu? "Der Entführer kann die Summe des Lösegeldes selbst bestimmen, das ist ein starker Anreiz", sagt Egg. Häufig sei der Täter im unmittelbaren Umfeld des Opfers zu suchen. Auch deshalb sei die Aufklärungsquote so hoch.