Bergedorf. Rudi Albusberger, der Bergedorfer Turnvater, war stets ein Vorbild. Nun ist er im Alter von 102 Jahren friedlich eingeschlafen.

Die 15 Damen staunten nicht schlecht: Ein Mann, der etwas von Gymnastik verstand? Als Rudi Albusberger Ende der 1950er-Jahre die Hamburger Gymnastikwartin bei einem Treffen der Landesverbände in Wiesbaden vertrat, brauchte die Bergedorfer Turnlehrer-Legende nicht lange, um sich den Respekt seiner Mitstreiterinnen zu erarbeiten. „Am Ende haben sie mir ein Röckchen angezogen“, erzählte er einmal schmunzelnd. Nun ist Rudi Albusberger im Alter von 102 Jahren friedlich eingeschlafen.

Mit ihm ist ein Mann von uns gegangen, bei dem Generationen von Bergedorfern das Turnen gelernt haben. Die Zahl seiner Schüler geht in die Tausende. Den Turner konnte Albusberger auch im hohen Alter nicht verhehlen. Als der Autor dieser Zeilen ihn im Herbst 2019 anlässlich seines 100. Geburtstags besuchte, war Albusbergers Händedruck noch so fest wie der eines jungen Mannes.

Rudi Albusberger fand seine Berufung früh – als Zehnjähriger

Geboren am 2. Oktober 1919 in Bockau war Bergedorfs Turnvater ein Jahrgang mit „Fußballgott“ Toni Turek (1919-1984), dem Mount-Everest-Bezwinger Sir Edmund Hillary (1919-2008) oder dem früheren

Rudi Albusberger, Bergedorfer Turnlehrer-Legende, bei Turnübungen in den 1930/1940er-Jahren.
Rudi Albusberger, Bergedorfer Turnlehrer-Legende, bei Turnübungen in den 1930/1940er-Jahren. © Volker Gast | Archiv Rudi Albusberger

Bundespräsidenten Walter Scheel (1919-2016). Albusberger fand seine Berufung früh. Mit zehn Jahren meldete ihn sein Vater zum Turnen an. Diese Leidenschaft ließ ihn nie wieder los. Mit 17 gehörte er zu den 100 besten Nachwuchs-Turnern im Deutschen Reich. „Bei einem Lehrgang in Magdeburg wurden wir von den Olympiasiegern 1936 unterrichtet“, erinnerte er sich bei unserem damaligen Gespräch.

Dass ihn sein Weg nach Bergedorf führte, war ein Glücksfall für die Region. Und das Produkt einer glücklichen Fügung. Weil in Bergedorf ein Turnlehrer gesucht wurde, siedelte er sich 1947 hier an. 17 Jahre lang unterrichtete er Turnen und Gymnastik für die Bergedorfer Turnerschaft von 1860, die später mit Spiel und Sport Bergedorf zur heutigen TSG Bergedorf fusionierte. Durch die Hochzeit mit seiner Frau Hildegard wurde Bergedorf zu seiner zweiten Heimat. Mit Hamburg ist auch eine seiner schönsten Turn-Erinnerungen verknüpft: ein Wettkampf vor 7000 Zuschauern im Park „Planten un Blomen“. Der Deutsche Turnerbund verlieh ihm 1956 das Turnerkreuz in Gold.

Als Hundertjähriger war Rudi Albusberger noch bewundernswert vital

Im Jahr 1964 folgte Albusberger einem Ruf der Universität Marburg, wo er sich bis zu seiner Pension um die Ausbildung angehender Sportlehrer kümmerte. Erst 2008 kehrte er nach Lohbrügge zurück, um bei seiner Tochter zu leben, ging regelmäßig im Grünen Zentrum spazieren. „Als Turnlehrer habe ich immer alle Übungen mitgemacht. Das hat mir im Alter sicher geholfen“, verriet er. Ihn als Hundertjährigen bei dem Besuch damals noch so vital erleben zu dürfen, war eine beeindruckende Erfahrung. Rudi Albusberger war zeitlebens ein Vorbild, das viele Menschen inspiriert hat.