Hamburg. Die Nationalspielerin tut sich in Hamburg den Abstiegskampf an. Dafür gibt es für den Aurubis-Neuzugang gute, private Gründe.

Die Frage muss gestellt werden, und Jana-Franziska Poll macht nicht den Eindruck, als hörte sie sie zum ersten Mal. Warum verlässt eine Volleyball-Nationalspielerin den deutschen Serienmeister Schweriner SC, um beim VT Aurubis Hamburg gegen den Abstieg aus der Bundesliga und mit dem ob des bevorstehenden Ausstiegs des namensgebenden Hauptsponsors finanziell vor dem Aus stehenden Verein ums Überleben zu kämpfen?

Man könnte nun eine kämpferische Antwort geben nach dem Motto, solcherlei Herausforderungen seien die Triebfeder des eigenen Anspruchs. Oder eine romantische, dass man eben denen helfen wolle, die in Problemen stecken. Jana-Franziska Poll entscheidet sich für die ehrliche Antwort, und genau das zeichnet die 27-Jährige aus. Sie habe nach Jahren der Fernbeziehung die Nähe zu ihrem im Asklepios-Konzern als Klinikmanager arbeitenden Freund gesucht, mit dem sie nun gemeinsam im Hamburger Süden lebt. „Irgendwann kommt einfach die Zeit, in der man die Prioritäten anders setzt“, sagt sie. Mehr Privat-, dafür weniger Vagabundenleben im Profisportgeschäft. Dafür nimmt man dann auch mal sportliche Abstriche in Kauf.

Wobei niemand denken sollte, dass die Außenangreiferin an ihrer neuen Wirkungsstätte ihre Karriere austrudeln lassen will. Jana Poll ist gekommen, um zu helfen. Das wurde schon beim Saisonauftakt am vergangenen Sonnabend deutlich, als sie bei der 1:3-Niederlage beim Köpenicker SC in Berlin mit 17 Zählern punktbeste und gleichzeitig auch wertvollste Hamburger Spielerin war. Und auch bei der Heimpremiere an diesem Mittwoch (20 Uhr, CU-Arena) gegen ihren Ex-Club Schwerin will sie vorangehen. Aber eben mit Taten, nicht mit schönen Worten. „Jana hilft uns und den jungen Spielerinnen im Team mit ihrer Erfahrung und ihrem Können“, sagt Cheftrainer Dirk Sauermann, „auf sie ist in jedem Element, ob Annahme, Angriff oder Aufschlag, Verlass.“

Große Karriere war nie ihr Ziel

Aber die 185 Zentimeter lange Emsländerin, der man die Leidenschaft für Kinderschokolade – am liebsten auf Pfannkuchen verteilt – nicht mal ansatzweise ansieht, ist kein Mensch, den es in die Verantwortung drängt. Karriere zu machen, das war nie ihr Ziel gewesen. „Ich wollte eigentlich niemals professionell Volleyball spielen“, sagt sie. Hat sich halt so ergeben, weil sie schon als kleines Mädchen große Freude an Bällen hatte. Als ihre Kinderärztin riet, das von Hausstaubmilben hervorgerufene allergische Asthma mit Lungentraining einzudämmen, entschied sie sich als Achtjährige in ihrer Heimat Meppen, zum von der Mutter einer Freundin geleiteten Volleyballtraining zu gehen.

Das war der Beginn einer Leidenschaft, für die Jana Poll heute noch brennt. Anders wäre ihre Leistungssportlaufbahn auch nicht möglich gewesen, sagt sie. „Ich muss Spaß haben an dem, was ich tue, sonst kann ich nicht gut darin sein“, sagt sie. Ballgefühl und Talent paarten sich bei ihr so gewinnbringend, dass die Schritte vom Zweitligisten Emlichheim über die Bundesligisten Aachen, Vilsbiburg und Schwerin ins Nationalteam logisch waren, auch wenn Poll sie niemals forciert hätte. Sie wurde halt gefragt und hat die Chancen ergriffen, als sie kamen.

Und sie hat einige Kolleginnen an deren Verbissenheit scheitern sehen. „Manche haben einfach eine völlig falsche Selbsteinschätzung“, sagt sie, „die setzen sich unrealistische Fernziele, anstatt einen Schritt nach dem nächsten zu machen und so kontinuierlich besser zu werden.“ Das konnte ihr nicht passieren, sie stammt aus einem grundsoliden Haushalt. Mutter Hausfrau mit fünf Kindern, Vater im Außendienst unterwegs, alle ohne Berührungspunkte mit Leistungssport. Sie selbst machte eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, arbeitete ein halbes Jahr mit Wachkomapatienten und zu Beginn ihrer Bundesligazeit in Aachen sogar in Vollzeit mit mehrfach Schwerstbehinderten. Den Job hat sie derzeit zwar zurückgestellt, nach dem Volleyball wird sie aber zurückkehren, weil sie die Arbeit mit den Gehandicapten so sehr schätzt. „Die sind einfach ehrlich, geben einem eins zu eins zurück, was man ihnen gibt“, sagt sie.

Ehrlichkeit ist das Leitmotiv

Ehrlichkeit scheint das Leitmotiv zu sein im Leben der Neu-Hamburgerin. Offen spricht sie über die Schwächen ihres neuen Teams, das sich im Vergleich zur vorangegangenen Saison zwar auf den Außenpositionen verstärkt, dafür aber im Mittelblock Probleme habe und auf den Schlüsselpositionen Zuspiel und Libera auf hoch talentierte, aber unerfahrene Nachwuchskräfte setze. „Vor allem fehlt uns die Tiefe im Kader“, sagt sie, „was aber auch kein Wunder ist bei unserem Etat.“ Tatsächlich hat Sauermann nur elf Spielerinnen im Kader, was sich in Köpenick beim Durchwechseln negativ bemerkbar machte.

Dennoch hat Jana Poll überhaupt keine Lust, an dem Zukunftsbild des Vereins mitzumalen, für das viele die dunkelsten Farben ausgewählt haben. Die finanziellen Probleme seien derzeit kein Thema in der Mannschaft, Druck entstehe einzig dadurch, dass man selbst Großes von sich erwarte. „Mich verunsichert es mehr, wenn es bei mir nicht läuft, als wenn es im Umfeld nicht stimmt“, sagt sie. Die Fans sollten verstehen, „dass es keine Absicht ist, wenn wir mal schlecht spielen. Wir werden als Team alles dafür geben, sportliche Argumente dafür zu liefern, dass ein Standort wie Hamburg nicht untergehen darf“. Man darf es ihr glauben.