Der Hamburger Windsurfer Philip Köster startet wieder vor Sylt. Er ist auf dem Weg zum dritten Weltmeistertitel. Der 19-Jährige gilt als Surf-Wunderkind, aufgewachsen an einem windumtosten Strand auf Gran Canaria.

Sylt. Was er da vergangene Woche erleben musste, nun gut, das gehöre eben auch zum Sport. „So etwas passiert mal“, sagt Philip Köster, „damit muss man umgehen.“ Aber ein bisschen komisch habe es sich schon angefühlt. Ein solches Missgeschick war ihm aber auch wirklich lange nicht mehr widerfahren: dass er einen Windsurfweltcup nur auf dem zweiten Platz beendet. Der Brasilianer Marcilio Browne war es, der ihm im Finale in Klitmöller (Dänemark) ein bisschen die Show gestohlen hat. Köster hat sich den Lauf noch einmal angeschaut und sagte: „Er war an dem Tag einfach besser.“

Köster, 19, wird sich jetzt wohl etwas länger gedulden müssen als erhofft, bevor er zum dritten Mal hintereinander die WM-Trophäe für den besten Wellenreiter der Saison entgegennehmen darf. Zumal der Weltverband PWA kurzfristig für Dezember einen weiteren Weltcup in Maui (USA) ins Programm genommen hat. Es wird also nichts mit der Titelverteidigung bei seiner Heimveranstaltung auf Sylt. „Schade, dass ich hier nicht Weltmeister werden kann“, sagt Köster, bevor er wieder dieses halb verlegene, halb unbeschwerte Kichern herauspresst.

Aber hey, so kommt er eben noch mal nach Hawaii, einem der besten Reviere der Welt. Der Wettkampfkalender könnte ohnehin ein paar Termine mehr vertragen. Derzeit umfasst die WM-Serie für die Wellenreiter nur sechs Rennen. Es waren einmal doppelt so viele. Wäre der Weltcup überall so populär wie auf Sylt, wären es sicher mehr. 200.000 Besucher werden in den kommenden neun Tagen in Westerland erwartet. Dessen Tourismusdirektor Peter Douven sagt: „Sylt ist für das Surfen das geworden, was Kitzbühel für den Skirennsport und Wimbledon fürs Tennis ist.“

Der Weltcup war schon vor Köster groß. Aber der erste deutsche Windsurfweltmeister in der Königsdisziplin Wellenreiten hat ihn noch ein bisschen größer gemacht. „Philip ist ein Segen für uns“, sagt Vermarkter Matthias Neumann von der Hamburger Agentur Act. Für die Jubiläumsauflage der Veranstaltung seien erstmals alle Sponsoringflächen verkauft worden. Im vergangenen Jahr habe die Veranstaltung zwei Milliarden Medienkontakte erzielt. „Damit spielen wir in der Champions League.“

Das ist dann vielleicht doch ein etwas gewagtes Bild. Als die Deutschen vor zwei Jahren ihre Sportler des Jahres kürten, wurde Köster Zehnter, obwohl ihm ein historischer Erfolg gelungen war. Köster kann mit der Platzierung gut leben: „Für eine Randsportart ist das doch nicht schlecht, oder?“ Seine Kleidung zieren inzwischen die Logos von Weltmarken wie VW und Red Bull. Für Zott-Monte hat er einen Werbespot gedreht, bei dem er Pudding essen musste. 80 Löffel seien es am Ende geworden, was selbst ihm zu viel sei, obwohl er auf seine Ernährung eigentlich nicht weiter achtgebe.

Gerade ist ein Buch über ihn erschienen. Titel: „Der Überflieger.“ Es gibt nicht viele, die mit 19 ihre Biografie vorlegen. Aber Köster hat auch kein gewöhnliches Leben zu bieten. Es ist die Geschichte eines Surf-Wunderkinds, aufgewachsen an einem windumtosten Strand auf Gran Canaria, wohin Rolf Köster und Linda Schlüter-Köster vor bald 30 Jahren aus Hamburg ausgewandert sind. Köster war 14, als er seinen bis heute gültigen Weltrekordsprung stand: 18 Meter über der Wasseroberfläche. Er sagt: „Das war unbeschreiblich, wie fliegen. Adrenalin pur.“ Die Sehnsucht nach diesem Gefühl ist es, die ihn täglich fünf Stunden oder länger hinaus aufs Meer treibt.

Nur da draußen ist Philip Köster wirklich in seinem Element: „Auf dem Wasser“, sagt er, „fühle ich mich frei.“ Daran haben auch die zwei WM-Titel nichts ändern können. Durch sie ist er jetzt doppelt so viel unterwegs wie früher, um die Interessen von Medien und Sponsoren zu befriedigen, insgesamt zehn Monate im Jahr.

Dass dieser Überflieger einmal abstürzen könnte, ist kaum vorstellbar. Alkohol? Schmeckt ihm nicht. Partys? Geht er aus dem Weg. „Ich bin eher der ruhige Mensch“, sagt Köster, „man muss ja nicht alles mitmachen.“ Keine Angst also: Dieser junge Kraftprotz mit den Wuschelhaaren will wirklich nur surfen. Vielleicht ist das einfach so, wenn man sich im Alltag so austoben kann wie er. Wenn man den Kampf mit den Naturgewalten austrägt und dabei versucht, die Grenzen der Physik immer noch ein bisschen weiter zu verschieben.

Die nächste Herausforderung ist der Dreifachsalto. Philip Köster will der erste Surfer sein, der ihn steht. Durchaus möglich, dass er den Sprung schon auf Sylt versucht. Die Bedingungen müssten natürlich stimmen, der Wind möglichst stark von links wehen. „Aber letztlich ist das Kopfsache.“ Die Angst fliegt immer mit, aber keiner in der Szene versteht es so gut wie Köster, sie auszublenden oder zumindest es so aussehen zu lassen.

„Wenn er gesund bleibt, wird Philip auf Jahre das Surfen dominieren“, sagt Bernd Flessner, 44, der nach 16 deutschen Meistertiteln und 25 Jahren Profikarriere auf Sylt seine Abschiedsvorstellung gibt.

An das Gefühl, zu verlieren, braucht sich Philip Köster wohl erst einmal nicht zu gewöhnen.