Turnierchef Volker Wulff warnt vor dem Deutschen Spring- und Dressurderby davor, die Zukunft zu verschlafen, und fordert Investitionen der Stadt.

Hamburg. Volker Wulff ist Geschäftsführer der Vermarktungsagentur En Garde mit Sitz in Uthlede bei Bremen. Der 55 Jahre alte Agrar-Ingenieur ist als Turnierchef des Deutschen Spring- und Dressurderbys seit 13 Jahren Partner des Norddeutschen und Flottbeker Reitvereins von 1928. Vor dem Start der Turnierwoche an diesem Mittwoch spricht er über Neuerungen und Aussichten.

Hamburger Abendblatt: Herr Wulff, beim Eröffnungsspringen am morgigen Mittwoch ist der Eintritt noch frei, am Himmelfahrtstag startet das Turnier dann offiziell. Was ist neu?

Volker Wulff: Bei einer so traditionsreichen Veranstaltung machen die alten Reize den Charme. Das Derby ist einmalig und offen wie immer. Auch die anderen Prüfungen garantieren Spannung pur. 25 der weltbesten 30 Reiter haben zugesagt, 750.000 Euro Preisgeld sind ausgesetzt. Wir erwarten wieder einen stark besuchten Derbypark, und das Fernsehen überträgt sieben Stunden live. Klein Flottbek kann sich international sehen lassen.

Die altmodische Anlage können Sie damit nicht meinen.

Wulff: Das ist leider der Haken: Der Sport im Westen Hamburgs ist Weltklasse, das bauliche Umfeld tiefste Provinz. Jahr für Jahr übertünchen wir die uralte Substanz, damit nicht alles auseinanderbricht. Richterturm und Tribünen sind höchst desolat.

Das ist bekannt, aber warum passiert denn nichts?

Wulff: Diese Frage muss die Stadt beantworten. Wenn nicht alle rasch in die Hufe kommen und für die nächsten Jahrzehnte planen, ist Klein Flottbek eines Tages im Hintertreffen. Man darf sich nichts vormachen: Die Konkurrenz hat einen Vorsprung und baut diesen aus. Wer sich auf alten Lorbeeren ausruht, ist irgendwann der Verlierer.

Schüren Sie Angst, um an staatliche Geldtöpfe zu gelangen?

Wulff: Wir mahnen seit Jahren - konstant und sachlich. Ich bin guten Mutes, dass wir uns zunehmend Gehör verschaffen. Auch im Rathaus ist das Problem bekannt. Die Politik ist guten Willens. Nur, es passiert leider nichts. In Aachen zum Beispiel haben Stadt, Land und Bund 40 Millionen Euro in ein großartiges Reitsportzentrum investiert. Kein Wunder, dass die dort jetzt große Sprünge machen können.

Kann Hamburg dennoch mithalten mit der Konkurrenz?

Wulff: Noch. Hamburg bietet hervorragenden Sport und eine großartige Stimmung. Außerdem ist der internationale Ruf exzellent. Es handelt sich um eines der besten Reitturniere hierzulande. Durch die langfristige Anbindung an die Global Champions Tour sowie die Riders Tour ist auch in den kommenden Jahren großer Sport garantiert. Dennoch warne ich vor der Konkurrenz. Andere Länder rüsten mächtig auf. Hamburg und die Reitsport-Nation Deutschland drohen in die Zweitklassigkeit abzurutschen. Der Druck, vor allem aus dem Ausland, wird größer.

Haben Sie Fakten parat?

Wulff: Vor zehn Jahren gab es weltweit fünf Fünfsternespringen, die mit mehr als 400.000 Euro dotiert waren: Aachen, Calgary, Kuala Lumpur, Belfast und Zürich. Heute gibt es 50 Veranstaltungen dieser Klasse. Zum Beispiel ist das Hongkong Masters mit einer Million Euro ausgestattet; der Etat beträgt fünf Millionen Euro. Und in Doha in Katar sind in einer Springprüfung 650.000 Euro zu gewinnen. Völlig klar, dass es die Weltelite dorthin zieht. Viele Städte und Tourismus-Zentralen in Asien, Südamerika und Arabien haben die Magnetwirkung des Pferdesports erkannt.

Spürt man die Konsequenzen daraus auch in Hamburg?

Wulff: Noch nicht direkt. Aber grundsätzlich starten immer weniger Weltstars in Deutschland. Und immer weniger Weltstars kommen aus Deutschland. Zwar sind immer noch sechs der weltbesten 20 Reiter Deutsche, doch droht auch dieser Stern zu sinken. Man darf die Augen nicht verschließen: Wir haben Nachwuchsprobleme. Parallel sinken die Sendezeiten im Fernsehen. Wurden im Jahr 2003 noch 394 Stunden Reiten übertragen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 91,3 Stunden. Wir haben also einen enormen Abstieg.

In Klein Flottbek sind das ZDF und der NDR sieben Stunden dabei ...

Wulff: Der hochkarätige Charakter unserer Veranstaltung ist unverändert, und auch die Anlage hat ihren Charme. Aber wie gesagt: Wir drohen die Zukunft zu verschlafen.

Was muss denn konkret passieren?

Wulff: Hamburgs finanzielle Probleme sind bekannt. Allerdings müssen Prioritäten gesetzt werden: Besser einmal richtig loslegen als ständige Flickschusterei an einem alten, maroden Bauwerk.

Was schlagen Sie konkret vor?

Wulff: Ein vernünftiger Weg wäre ein Neubau der Tribünen in Klein Flottbek, um die Anlage topfit für die Zukunft zu machen. Nach unseren Schätzungen würde das etwa elf Millionen Euro kosten. Umgerechnet auf 30 Jahre entspricht das einem jährlichen Anteil von rund 350.000 Euro. Der wirtschaftliche Mehrwert wäre weit größer.

Warum?

Wulff: Unseren Berechnungen zufolge bringen die Derbytage in der Hansestadt insgesamt 7,5 Millionen Euro Umsatz. Damit sind Hotelübernachtungen, Restaurantbesuche und andere Ausgaben gemeint. In dieser Rechnung nicht enthalten ist der Imagegewinn für Hamburg. Denn nach wie vor ist Klein Flottbeks Stellenwert international ausgezeichnet. Nur müssen sich alle anstrengen, dieses hohe Niveau zu halten.