Der Trainer der Bundesligadamen des VT Aurubis spricht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt über die Einstellung seiner Spielerinnen und die Ziele in der nächsten Saison.

Hamburg. An diesem Sonnabend (19 Uhr, CU-Arena, S-Bahnhof Neugraben) treten die Bundesliga-Volleyballerinnen des VT Aurubis zum zweiten Spiel der Viertelfinalserie gegen die Roten Raben Vilsbiburg an. Verlieren sie, ist ihre Saison beendet. Bei einem Sieg stünde am Mittwoch in Bayern das Entscheidungsspiel an. Vor der Partie zieht Cheftrainer Helmut von Soosten, 49, Bilanz und wagt einen Ausblick.

Hamburger Abendblatt: Herr von Soosten, die Bilanz Ihres Teams gegen Vilsbiburg ist bitter: zweimal 0:3 in der Hauptrunde, 0:3 im ersten Spiel der Serie. Warum meinen Sie, dass die Saison für Ihr Team am Sonnabend noch nicht beendet ist?

Helmut von Soosten: Weil ich glaube, dass wir in Bestbesetzung eine gute Chance haben, mit der Unterstützung unserer Fans zu gewinnen. Im ersten Spiel hat unsere Libera Julie Jasova gefehlt, das konnten wir nicht kompensieren. Diesmal wird sie spielen.

Ihr Hauptsponsor Aurubis hatte als Ziel die Top vier der Liga und den Halbfinaleinzug vorgegeben. Sie wurden Siebter. Wenn nun im Viertelfinale Endstation ist, muss man dann von einer verkorksten Saison sprechen?

Von Soosten: Ich denke, dass es mehrere Betrachtungsweisen geben muss. Wir haben uns nach dem völlig verkorksten Saisonstart mit 0:8 Punkten und dem Trainerwechsel im Januar, als ich das Amt von Jean-Pierre Staelens übernahm, stabilisieren und von 8:16 auf 20:18 Punkte hocharbeiten können, und die Play-offs, unser Minimalziel, erreicht. Zudem standen wir im Halbfinale des Europapokals. Deshalb denke ich, dass man mit etwas Abstand sagen kann, dass die Saison ordentlich war, selbst wenn wir an Vilsbiburg scheitern sollten. Zum anderen muss zugegeben werden, den Ansprüchen hinterherzurennen, wenn jahrelang vorgegeben wird, eine Medaille zu holen, und es dann nicht geschafft wird. Ob es immer clever war, die Ansprüche derart hochzuhängen, stelle ich infrage.

In der kommenden Saison dürften die Ansprüche nicht mehr so hoch sein. Aurubis kürzt die Mittel um rund 30 Prozent. Ist jedem klar, was das bedeutet?

Von Soosten: Ich denke schon. Im besten Fall können wir um die Top sechs, also die direkte Play-off-Qualifikation mitspielen. Im schlimmsten Fall kämpfen wir gegen den Abstieg, wobei durch den freiwilligen Abstieg von VCO Berlin noch nicht klar ist, ob in der kommenden Saison mit elf oder zehn Teams gespielt wird und ob es überhaupt einen Absteiger geben wird. Aber ich will nicht klagen. Wir haben weiterhin die Voraussetzungen, um gut mitzuspielen.

Die jetzige Mannschaft hat bisweilen stark gespielt, aber zu oft ihre Leistung nicht abgerufen. Auch unter Ihrer Führung gab es nach einem tollen Start eine Niederlagenserie.

Von Soosten: Bei einem Neubeginn will sich jeder Sportler präsentieren, deshalb bringt der kurzfristige Effekt eines Trainerwechsels ja oft eine Verbesserung der Ergebnisse. Aber gerade im Mannschaftssport können sich Einzelne verstecken, sodass man erst später merkt, wo die Probleme liegen. Dass wir diesen Leistungssprung nicht dauerhaft konservieren konnten, zeigt, dass in der Zusammenstellung der Mannschaft Fehler gemacht wurden. Die gilt es für die neue Saison zu vermeiden.

Wie soll das gehen mit einem kleineren Budget?

Von Soosten: Wir müssen den Umbruch machen. Wir werden bei Transfers genau schauen, wer zu uns passt. Wir haben einigen Junioren-Nationalspielerinnen Angebote gemacht und warten nun ab, wer kommen will. Ich will Spielerinnen, die sich mit VT Aurubis identifizieren, die die Chancen sehen, die der Neustart bietet.

Sie wollen vermehrt auf deutsche Spielerinnen setzen und Wert darauf legen, dass im Team nur Deutsch gesprochen wird. Ist das bislang zu kurz gekommen?

Von Soosten: Ja. Insbesondere in Phasen, in denen es nicht gut läuft, ist es ein Problem, wenn in einzelnen Gruppen in der jeweiligen Landessprache kommuniziert wird. Dadurch wächst Misstrauen. Missverständnisse dürfen nicht auf sprachliche Probleme zurückzuführen sein. Deshalb sehe ich keinen Grund dafür, im Training in Zukunft Englisch zu sprechen. Um Missverständnisse auszuschließen: Es gibt keinerlei Aversion gegen ausländische Spielerinnen! Das widerspräche unseren und den Werten unseres Hauptsponsors.

Wie viele Spielerinnen aus dem aktuellen Kader werden bleiben? Zuletzt gab es Klagen darüber, dass zu spät mit dem Team geredet wurde, es hieß, keine Spielerin sei bereit, auf Gehalt zu verzichten.

Von Soosten: Wir haben mittlerweile allen das neue Konzept erläutert und sechs unserer zwölf Spielerinnen ein Angebot gemacht, deren Namen ich nicht nennen werde. Die Reaktionen darauf waren vielschichtig. Bislang hat sich keine für einen Verbleib entschieden. Ich hatte bei zu wenigen das Gefühl, dass es ihnen um den Verein geht. Das persönliche Interesse steht im Vordergrund. Das kann ich zwar verstehen, weil es in den vergangenen Jahren teils vorgelebt wurde. Aber es gab wenig Verständnis für die neue Situation, in der der Club sich befindet. Ich bedaure, dass die Identifikation mit dem Verein so stark verloren gegangen ist. Das muss sich ändern. Im Funktionsteam leben wir das vor, indem wir bei gleichem Gehalt mehr arbeiten, weil wir von vier auf drei Stellen reduzieren müssen. Jetzt wünsche ich mir von den Spielerinnen ein Signal, dass sie bereit sind, den Weg mitzugehen.

Gibt es in der zweiten Mannschaft Talente, die Sie hochziehen können?

Von Soosten: Es gibt Talente, aber die gehen alle noch zur Schule und können deshalb nicht wie Profis trainieren. Wir werden aber viel öfter als bisher gemeinsam mit dem Bundesliga- und dem Zweitligakader trainieren, damit die Talente sehen, dass die Durchlässigkeit da ist, dass wir sie ernst nehmen. Wir wollen anbieten, dass wir uns um jede individuell kümmern und intensiv daran arbeiten, jede besser zu machen. Jetzt brauchen wir nur die Spielerinnen, die das auch wollen. Ich will mehr Begeisterung, nicht nur im Spiel, sondern auch im Alltag.

Es gibt Menschen, die Ihnen vorwerfen, die Schuld für Misserfolge zu sehr bei anderen zu suchen. Sind Sie zu hart für die Arbeit mit einem Frauenteam?

Von Soosten: Ich denke nicht. Aber es ist meine Art, Fehler offen und direkt anzusprechen. Für mich ist das eine Frage der Ehrlichkeit. Aber selbstverständlich sehe ich mich als Teil des Teams. Deshalb sage ich: Die schlechten Leistungen in dieser Saison lagen nicht nur an der Mannschaft, aber auch nicht nur am Trainer. Wir hatten viele Veränderungen in den vergangenen Jahren, jetzt wollen wir endlich eine Grundlage schaffen, auf der man für mehrere Jahre aufbauen kann. Im Prinzip ist alles dafür vorhanden, wir müssen das Potenzial nun abrufen.