Hamburg. Das Tennisstadion am Rothenbaum wird zur Beachvolleyball-Arena. Auf einem Duo vom Eimsbütteler TV ruhen die deutschen WM-Hoffnungen.

Es sei ein ganz besonderes Gefühl, auf diesen Centre-Court zurückzukehren, schwärmt Julius Thole. Noch sei zwar nicht alles fertig, „aber die Bilder, die Erinnerungen an das vergangene Jahr waren sofort wieder da, als wir den Platz betraten“. Thole (22) und sein Partner Clemens Wickler (24) absolvierten bereits am vergangenen Donnerstag die ersten Trainingseinheiten im zur Beachvolleyball-Arena umgewidmeten Tennisstadion am Hamburger Rothenbaum – und empfanden die Bedingungen unter dem neuen Dach als „perfekt“.

Vom Freitag, dem 28. Juni, bis zum Sonntag, dem 7. Juli, baggern und blocken jeweils 48 Teams bei Frauen und Männern zwischen Haller- und Hansastraße um die Weltmeisterschaft. Weil das Major-Tour-Finale im August 2018 am Rothenbaum bereits eine Art Mini-WM war, Thole/Wickler damals überraschend Vierte wurden, gilt das Duo des Eimsbütteler TV diesmal als möglicher Medaillenkandidat. „Sie haben das Potenzial, das Halbfinale zu erreichen“, sagt Niclas Hildebrand, der Beachdirektor des Deutschen Volleyballverbandes. Die aktuellen deutschen Meister, Hamburgs Mannschaft des Jahres 2018, hatten als Einzige der zehn deutschen WM-Teilnehmer in dieser Saison halbwegs stabile Form bewiesen. In der Weltrangliste werden sie auf Rang zwölf geführt.

Spieler haben an Muskelmasse zugelegt

„Wir sind gut durch die Saisonvorbereitung im Winter gekommen, sind verletzungsfrei und von Krankheiten verschont geblieben, fühlen uns frisch, gesund und voller Tatendrang, jetzt schauen wir mal, was hier möglich ist“, sagt Wickler. Beide haben an Muskelmasse zugelegt, springen höher als im vergangenen Jahr, haben sich auch taktisch und spielerisch verbessert. „Wir sind jedoch nicht mehr die Außenseiter, die kaum jemand kannte. Die Gegner stellen sich immer besser auf uns ein“, sagt Wickler. „Wir aber auch auf sie“, ergänzt Thole – und strahlt dabei jenes Selbstvertrauen aus, das im Vierkampf im Sand unerlässlich geworden ist.

Das Tennisstadion am Rothenbaum hat sich zur Beachvolleyball-Arena gewandelt, die Arbeiten sind aber noch nicht abgeschlossen. 560 Tonnen Sand liegen jetzt auf dem Center Court.
Das Tennisstadion am Rothenbaum hat sich zur Beachvolleyball-Arena gewandelt, die Arbeiten sind aber noch nicht abgeschlossen. 560 Tonnen Sand liegen jetzt auf dem Center Court. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Mit Anett Szigeti, der von allen Sportlern hochgeschätzten Psychologin des Hamburger Olympiastützpunktes, haben sie zudem weiter an ihrer internen Kommunikation gearbeitet. „Bei aller Freundschaft und gegenseitigem Respekt: In Stresssituationen ist es nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Du musst Probleme klar ansprechen können, ohne den Partner dabei persönlich zu kritisieren oder ihn runterzuziehen. Erfolgreich sind wir als Team nur, wenn wir als solches ohne Reibungsverluste funktionieren“, sagt Wickler.

Für den WM-Sieg gibt es 100.000 Dollar

Zum Team Thole/Wickler gehört – wie inzwischen bei allen Weltklasse-Beachvolleyballspielern – ein Stab an Trainern, Betreuern, Scouts (Spielbeobachtern), Psychologen und Physiotherapeuten. Der slowakische Männer-Bundestrainer Martin Olejnak ist qua Amt der Headcoach, der zweimalige Europameister Markus Dieckmann (Düsseldorf) der persönliche Trainer der beiden. Jürgen Wagner (Moers), Deutschlands erfolgreichster Beachvolleyballtrainer, strukturiert die Krafteinheiten, die auf die muskulären Anforderungen im Sand ausgerichtet sind. „Dieses Zusammenspiel von Experten ist heute erforderlich, um an der Weltspitze angreifen zu können“, weiß Wickler.

Weil Thole/Wickler bei den Männern Deutschlands Nationalteam Nummer eins sind, finanziert der Verband einen Großteil dieser Aufwendungen, den Rest müssen sie selbst über Sponsoren und Prämien aufbringen. Im vergangenen Jahr verdienten die beiden rund 70.000 Euro Preisgeld im Sand. Für den WM-Sieg gäbe es 100.000 Dollar.

Norweger sind die WM-Favoriten

WM-Favoriten sind indes andere. Die norwegischen Weltranglisten-Ersten Anders Mol/Christian Sørum gewannen zuletzt drei Weltserienturniere in Folge. „Um sie zu bezwingen, müssen wir uns schon etwas einfallen lassen“, sagt Wickler, der auch die Russen Wjatscheslaw Krasilnikow/Oleg Stojanowskij und Konstantin Semjonow/Ilja Leschukow sowie die Letten Aleksandrs Samoilovs/Jänis Smedins im Kampf um die Medaillen erwartet. Krasilnikow/Stojanowskij sind in den Tagen vor der WM am Rothenbaum Thole/Wicklers bevorzugte Trainingspartner.

Noch schlafen die beiden Hamburger zu Hause, Wickler will spätestens am Donnerstag ins Spielerhotel Grand Elysée umziehen, Thole nur an den Tagen vor den Spielen. Am Sonnabend schlagen sie um 13 Uhr das erste Mal bei der WM auf. Patrick Kavalo/Olivier Ntagengwa aus Ruanda sind allerdings ihnen unbekannte Größen. „Bisher haben wir kein brauchbares Videomaterial über die beiden gefunden“, sagt Wickler. Tri Bourne/Trevor Crabb (USA) und Arash Vakili/Bahman Salemiinjehboroun (Iran) folgen als Gruppengegner. Der Gruppensieg („Das ist unser Ziel“) würde Thole/Wickler eine günstigere Auslosung für die anschließenden K.-o.-Runden beschweren. „Mit dem Heimvorteil, den Fans und unseren Familien im Rücken ist dann hoffentlich noch einiges möglich“, sagt Wickler – und lächelt.

Für das Final-Wochenende am 6. Juli (Frauen-Endspiel) und am 7. Juli (Männer-Endspiel) sind an beiden Tagen alle 2000 Kaufkarten vergriffen. Auf den restlichen 10.000 Plätzen ist der Eintritt frei – wie an allen anderen Tagen.