Abendblatt-Leser Lennart Grabe schildert seine ganz persönlichen Eindrücke der baskischen Mannschaft Euskaltel-Euskadi.

Hamburg. Als sich das Fahrerfeld der Tour de France diese Tage durch die Pyrenäen schlängelte, waren sie wieder da. Heerscharen von baskischen Fans waren wie jedes Jahr über die Grenze gepilgert, um ihre Helden zu feiern. Gekleidet in orangene T-Shirts und mit baskischen Fahnen bestückt waren sie angereist, um frenetisch ihr Team und ihre Fahrer nach vorne zu peitschen – die Fahrer der baskischen Mannschaft Euskaltel-Euskadi. Und es war nicht umsonst, denn mit Egoi Martinez eroberte einer der ihren das Trikot des Bergbesten. Doch das war nebensächlich, denn für die Fans geht es um mehr als um Erfolge.

Seit dem Jahr 2000 ist das Team von Euskaltel-Euskadi fester Bestandteil der Tour de France und zählt dennoch zu den unbekannteren Teams. Völlig zu unrecht, widersetzt sich dieses Team aus dem Nordosten Spaniens doch wie das berühmte kleine gallische Dorf aus den Asterix-Comics bis heute den Gesetzen der heutigen Weltordnung. In einer Zeit, in der die Globalisierung immer weiter fortschreitet, die regionalen Unterschiede verschwinden und der Erfolgsdruck auf dem Einzelnen immer schwerer lastet, kämpft Euskaltel für schon beinahe historisch anmutende Werte wie regionale Verbundenheit, Einsatzbereitschaft und innerer Zusammenhalt. Das Team versteht sich ähnlich wie der Fussballclub Athletico Bilbao als baskische Nationalmannschaft und verpflichtet daher ausschließlich Basken oder Fahrer, die in einer besonderen Beziehung zum Baskenland stehen.

Während sich Sponsoren und Zuschauer in der heutigen Zeit gemeinhin nur nach Erfolgen sehnen, macht Euskaltel vor, dass es auch anders gehen kann. Das Team, das seit 1998 unter dem selben Sponsor - einem baskischen Telekommunikationsunternehmen - fährt, ist beinahe chronisch erfolglos, in neun Jahren Tour de France stehen gerade einmal zwei Etappensiege zu buche und auch wenn man zuletzt regelmäßig einen Fahrer unter den ersten zehn der Gesamtwertung platzieren konnte, ist man von einem Podiumsplatz oder gar einem Gesamtsieg in Paris meilenweit entfernt. Auch in den Kampf um die Spezialtrikots hatte man noch nie eingreifen können, dieses Jahr durfte sich mit Egoi Martinez zum ersten Mal überhaupt ein Fahrer von Euskaltel das Bergtrikot des besten Kletteres überstreifen und das obwohl die Mannschaft seit jeher nahezu ausnahmslos mit Bergfahrern besetzt ist. Aber dennoch pilgern die baskischen Fans immer wieder zu den Bergpässen, denn für sie geht es um mehr als um ein gutes Ergebnis, für sie zählt der unbedingte Wille, die Opferbereitschaft, die nie enden wollende Angriffslust, das „Niemals-Aufgeben“.

So ist es wenig verwunderlich das 2007 mit Amets Txurruka ein Euskaltelfahrer die Wertung des kämpferischsten Fahrers gewann. Und so versuchte es Euskaltel auch dieses Jahr in den Pyrenäen ständig, an nahezu jedem Anstieg attackierte einer der in den auffälligen, knallorangene Trikots fahrenden Basken. Am Ende war es wie so oft vergebens, mehr als ein dritter Platz für Kapitän Mikel Astarloza sprang nicht heraus. Das große Ziel Etappensieg blieb der Mannschaft erneut verwehrt, umso größer ist daher die Freude über die Führung in der Bergwertung.

Aber die baskischen Fahrer von Euskaltel-Euskadi sind mehr als nur Radfahrer, sie fahren auch für ihr Volk. Die baskische Bevölkerung kann sich mit ihnen identifizieren. Ein großer Teil des baskischen Volkes und vermutlich der überwiegende Teil der Fans befürwortet eine Unabhängigkeit von Spanien und die Radprofis von Euskaltel, die die baskische Fahne auf ihren Trikots tragen, werden als eine Art radelnde Diplomaten gesehen, als Diplomaten eines nur im Geiste und Herzen des baskischen Volkes existenten Landes. Als Diplomaten, welche die Ideale, die Hoffnungen und den Stolz des baskischen Volkes in die Welt tragen. Und die Fahrer von Euskaltel sind sich ihrer Verantwortung gegenüber den Fans und dem Volk bewusst und so wollen sie nun alles daransetzen, das Bergtrikot auch in den Alpen zu verteidigen, auch wenn sie wissen, dass dies ein schwieriges Unterfangen werden wird.

Aber sicher ist, sie werden nicht zurückstecken und bis zum Umfallen kämpfen.... Für sich, für die Fans, für alle Basken!