Hamburg. Maxine Wolters ist mit ihren 16 Jahren bereits Hamburgs Hoffnung für 2024. Schon bei den Spielen in Rio 2016 könnte sie dabei sein.

Im Terminkalender von Maxine Wolters gibt es in diesem Jahr kaum eine Lücke. Nur wenige Tage vergehen, an denen die Hamburgerin mal nicht in einer Schwimmhalle zu finden ist. Den 29. November hatte sich die vielbeschäftigte Schwimmerin aber dick in ihrem Planer markiert. An diesem Tag stimmt Hamburg über die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 ab. Was die 16-jährige Sportlerin nicht wusste: Beim Referendum ist sie gar nicht stimmberechtigt, da sie erst seit zwei und nicht wie vorgeschrieben seit mindestens drei Monaten in Hamburg gemeldet ist. Wofür sie sich entschieden hätte, ist kein Geheimnis. „Olympia in Hamburg würde mir viel bedeuten. Es wäre ein tolles Gefühl, vor heimischer Kulisse anzutreten.“

Maxine macht gerade Mittagspause. Die erste Einheit des Tages liegt hinter ihr. Nach dem Essen geht es weiter. Trainingslager in Heidelberg. Gerade erst ist sie aus Saarbrücken gekommen. Natürlich auch aus einem Trainingslager. Aktuell arbeitet sie mit dem deutschen Perspektivkader und Bundestrainer Henning Lambertz. Bis zu sechs Stunden befindet sich Wolters im Wasser – pro Tag. Sie will hoch hinaus und weiß, dass dieser Weg nur mit ganz viel Arbeit und Fleiß zu schaffen ist. „Manchmal wache ich morgens auf und muss mich auch mal zum Training quälen. Aber sobald ich im Wasser bin, ist das vorbei“, sagt sie.

Schon ihre Mutter war Olympionikin

Wie sich der Lohn der Quälerei anfühlt, erfuhr Maxine im Juni bei der Junioren-Europameisterschaft. Im Rahmen der Europaspiele in Aserbaidschan wurde deutlich, warum Wolters am Olympiastützpunkt in Hamburg-Dulsberg als eines der hoffnungsvollsten Talente gilt. Über ihre Spezialstrecke 200 Meter Lagen schlug sie im Becken von Baku als Siegerin nach 2:13,37 Minuten an. Innerhalb eines Jahres hatte Wolters ihre persönliche Bestzeit um 2,5 Sekunden verringert. „Für diesen Moment hat sich das viele Training gelohnt.“ Wie gut ihr das Gold geschmeckt hat, konnte man auf dem Siegerpodest beobachten. Auch das Spielchen mit den Fotografen beherrschte sie schon sehr souverän. Die Medaille in die Höhe halten, ihr goldiges Lächeln zeigen und natürlich wie üblich in die Trophäe beißen. Für den ersten großen internationalen Erfolg wirkte es schon sehr professionell, wie Maxine Wolters auf dem Treppchen performte.

Dass sie eines Tages wichtige Medaillen gewinnen würde, war früh absehbar. Das Gefühl für das Wasser hat ihr Mutter Marion mitgegeben. Sie nahm als Schwimmerin an den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona teil. 24 Jahre später könnte ihre Tochter ihr folgen. Maxine träumt von einer Teilnahme an den Spielen in Rio de Janeiro im kommenden Jahr. Bei den Deutschen Meisterschaften im April könnte sich die junge Hamburgerin für Brasilien qualifizieren. Doch dafür müsste alles passen. „Rio kommt wahrscheinlich noch zu früh. Wir planen einen langfristigen Aufbau“, sagt Petra Wolfram. Die Bundesstützpunkt-Trainerin aus Hamburg arbeitet seit einem Jahr mit Maxine zusammen. „In dieser Zeit hat sie einen großen Sprung gemacht“, sagt Wolfram. Der langfristige Aufbau ist auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio ausgerichtet. In Japan könnte Wolters auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklungskurve angelangt sein.

Olympia ja - aber nicht um jeden Preis

Die Chancen dafür sind gegeben, darin sind sich ihre Trainer einig. „Maxine bringt alle Grundvoraussetzungen mit, um eine erfolgreiche Schwimmerin zu werden“, sagt Wolfram. Vor allem sei Wolters für ihr Alter schon sehr reif, auch wenn sie mit ihren 16 Jahren die Phase der Pubertät noch nicht abgeschlossen habe. „Sie arbeitet sehr konzentriert. Man merkt, dass sie etwas erreichen will“, sagt Wolfram.

Damit Maxine ihre Möglichkeiten voll ausschöpft, ist sie vor zwei Monaten ins Internat des Olympiastützpunkts nach Dulsberg gezogen. Dort teilt sie sich eine kleine Wohnung mit ihrer Freundin und Schwimmkollegin Thea Brandauer. „Die Abende sind richtig nett, der Stress deutlich geringer“, sagt Maxine über die Vorzüge ihres neuen Lebens. Während sie in den vergangenen Jahren täglich nach der Schule und dem Training eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zu ihren Eltern nach Escheburg fuhr, kommt sie nun besser zur Ruhe. „Die Gesamtbelastung war durch die weiten Wege sehr hoch“, sagt auch Trainerin Petra Wolfram.

Im Internat kann sich Maxine verstärkt auf ihren Sport konzentrieren. Die Schule fällt ihr nicht schwer. Bei ihren Mitschülern ist sie beliebt. Maxine ist ein Mädchen mit einem goldigen Gemüt. Dass sie schon sehr reif ist, merkt man, wenn sie über ihre Ziele spricht. Natürlich träume sie von Olympia. Aber nicht um jeden Preis. „Wenn ich irgendwann merke, dass ich stagniere, will ich vorbereitet sein.“

Das Karriereende von Markus Deibler hat Maxine nachdenklich gemacht

Deswegen hat sie einen Plan B im Kopf. Nach dem Abitur möchte sie im Ausland studieren. Die Beispiele Silke Lippock und Markus Deibler haben auch Maxine nachdenklich gemacht. Die beiden Hamburger Spitzenschwimmer hatten ihre Karrieren zuletzt in jungen Jahren wegen des hohen Trainingsaufwands und anhaltender Verletzungen beendet. „Ich kann ihre Entscheidungen nachvollziehen“, sagt Maxine. Trainerin Petra Wolfram sieht diese Gedankengänge gelassen. „Es zeigt, dass Maxine realistisch mit ihrer eigenen Entwicklung umgehen kann.“

In den kommenden Wochen wird Maxine wieder viel trainieren müssen. Wettkämpfe wie die Deutschen Kurzbahnmeisterschaften im November gehören zum Trainingsplan dazu. Das Highlight der Saison wird die DM auf der Langbahn Anfang April sein. Dann entscheidet sich, ob mit Rio schon der erste Traum in Erfüllung geht. „Wenn es nicht klappt, wäre das kein Pro­blem“, sagt Wolters. Sie weiß, dass Baku erst der Anfang war und sie in Zukunft noch häufiger auf dem Siegerpodest ihr goldenes Lächeln zeigen wird.