Das gab’s noch nie: Julius Brink und Jonas Reckermann gewinnen Gold im Beach-Volleyball. Als erstes europäisches Team der Geschichte! Deutsche Speerwerferinnen holten Silber und Bronze.

London. Erst ein ungläubiger Blick, dann tollten Jonas Reckermann und Julius Brink nach dem Matchball ins Gold-Glück ausgelassen über den Londoner Olympia-Sand. In einem packenden Finale hatten die Beach-Boys zuvor ihre außergewöhnliche Karriere gekrönt und als erstes europäisches Paar Gold bei Olympischen Spielen gewonnen. Mit dem vierten Matchball machte das deutsche Top-Duo am Donnerstagabend vor 15 000 Zuschauern den Sieg gegen seine brasilianischen Angstgegner Alison Cerutti und Emanuel Rego mit 2:1 (23:21, 16:21, 16:14) in einem überaus packenden Spiel perfekt.

„Das war ein sehr großes Spiel mit so vielen Höhen und Tiefen“, sagte Reckermann nach dem Gold-Coup überglücklich. „Als der dritte Matchball vergeben war, ist mir schon das Herz in die Hose gerutscht“, gestand Brink. „Aber der Beachvolleyball-Gott war heute auf unserer Seite.“

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„Das war grandios, wie sie nach drei vergebenen Matchbällen zurückgekommen sind“, sagte DOSB-Chef Thomas Bach. Delegationsleiter Michael Vesper betonte: „Für das deutsche Beach-Volleyball ist das herausragend.“

Damit konnten Brink/Reckermann im vierten Jahr ihrer gemeinsamen Karriere nach dem WM-Titel 2009 und den beiden EM-Siegen 2011 und 2012 auch die wichtigste Krone im Beach-Sport erobern. An der Horse Guards Parade hatten bei der fünften Olympia-Auflage ihres Sports zuvor Martins Plavins und Janis Smedins (Lettland) gegen Reinder Nummerdor/Richard Schuil (Niederlande) Bronze gewonnen.

Auf dem Exerzierplatz der königlichen Reitstaffel war der Sieg gegen die Weltmeister für die beiden Rheinländer der Höhepunkt ihrer Laufbahn. „Ich weiß nicht, was ich zu Hause zerstört hätte, wenn ich auf dem Heimweg nur meine Olympia-Akkreditierung um den Hals gehabt hätte“, hatte der 30 Jahre alte Brink schon nach dem Halbfinale gesagt. Unterstützung erhielt das Duo unter anderem von seinen Hallen-Kollegen, die nach ihrem Viertelfinal-Aus beim imposanten Flutlicht-Finale die Daumen drückten.

Erst 2009 hatten sich Blockspezialist Reckermann und Abwehrexperte Brink zusammen getan, um sich doch noch den Traum von einer Olympia-Medaille zu verwirklichen. 2008 war Brink in Peking mit seinem damaligen Partner Christoph Dieckmann völlig enttäuschend in der Gruppenphase gescheitert. Für Reckermann war mit Dieckmanns Zwillingsbruder Markus 2004 in Athen im Achtelfinale Schluss.

Das Projekt Brink/Reckermann stand von Beginn an unter einem guten Stern. Gleich im ersten Jahr ihrer Partnerschaft holten sie den WM-Titel – als erstes europäisches Duo überhaupt. In einem Sport, in dem die großen Titel eigentlich für Teams von jenseits des Atlantiks reserviert schienen. Nach den EM-Siegen 2011 und 2012, zuletzt beim Comeback nach Reckermanns Schulterproblemen, schaffte das Top-Duo das Kunststück, sich als erste Europäer Olympia-Gold zu sichern.

Ganz cool hatten die Beach-Boys ihr britisches Abenteuer in Angriff genommen. „Das ist ein Turnier wie jedes andere. Es geht auch hier in London letztlich nur darum, den Ball auf den Boden zu bekommen“, hatte der 33 Jahre alte Reckermann tief gestapelt. Doch auf dem Platz unterstrich das Duo von Beginn an hoch konzentriert wie immer seine Medaillenambitionen.

Souverän marschierte das Team durch die Vorrunde, und konnte sich danach mit jeder Aufgabe steigern. Selbst die unberechenbaren Niederländer Nummerdor/Schuil waren im Halbfinale kein Stolperstein. Silber war sicher – doch die Perfektionisten holten am Donnerstag sogar die „Kronjuwelen“ (Brink). Nach sieben Partien war in Sichtweite von Big Ben der größte Erfolg der Karriere perfekt. Gold! Und das in einem atemberaubenden Dreisatz-Spiel.

Im Sand von London unterstrichen Brink/Reckermann damit einmal mehr auch ihre nationale Ausnahmestellung. Jonathan Erdmann und Kay Matysik mussten sich bei ihrer Premiere im Zeichen der Ringe wie Katrin Holtwick und Ilka Semmler mit Rang neun begnügen. Für Sara Goller/Laura Ludwig, durchaus mit Medaillenchancen angetreten, war im Viertelfinale Schluss gegen die brasilianischen Weltmeisterinnen und späteren Bronze-Frauen Juliana Silva/Larissa Franca.

Deutsche Frauen werfen Speer zu Silber und Bronze

Für Gold warfen sie zu kurz, aber zu Silber und Bronze reichte es für die deutschen Speerwerferinnen. In einem Wettkampf auf mäßigem Niveau nutzten Christina Obergföll als Zweite und Linda Stahl als Dritte die Gunst der Stunde und sorgten hinter Barbara Spotakova aus Tschechien, Olympiasiegerin 2008 und Weltmeisterin 2011, für strahlende Gesichter in der deutschen Mannschaft.

Spotakova war die einzige der Favoritinnen, die die Erwartungen erfüllte. Die Siegweite und persönliche Saisonbestleitung von 69,55 m warf sie im vierten Versuch. Obergföll blieb mit 65,16 knapp zwei Meter hinter ihrer größten Weite in diesem Jahr zurück, dagegen warf Ex-Europameisterin Stahl mit 64,91 so weit wie nie in dieser Saison. Katharina Molitor belegte mit 62,89 Rang sechs.

Obergföll gewann vier Jahre nach dem Bronze von Peking eine zweite Olympiamedaille, dennoch bleibt sie „die große Unvollendete“ des Speerwurfs. Gold, das diesmal niemand von ihr erwartete, hat die 31-Jährige als Mitfavoritin in keinem ihrer neun Finals bei WM, EM oder Olympia gewonnen. Viermal war sie Zweite bei einer WM oder EM geworden.

In Peking, als sie die einzige Medaille für Deutschlands damals historisch schlechte Leichtathleten gewann, hatte Obergföll Bronze erst als Misserfolg angesehen. „Ich war traurig, dass es wieder kein Gold war, am Ende konnte ich mich dann doch noch freuen“, sagte sie.

Mehr als Bronze hatte Obergföll für London nicht erwartet: „Ich bin sicher, dass man für Silber 70 Meter werfen muss. Ob ich das drin habe, kann ich jetzt nicht sagen. Aber 68 Meter sind mein Ziel.“ Weil die Konkurrenz schwächelte, reichte eine weit geringere Leistung.

Große Meisterschaften waren für die Freundin von Speerwurf-Bundestrainer Boris Henry, Coach von Weltmeister Matthias de Zordo (Saarbrücken) und selbst zweimal WM-Dritter in dieser Disziplin, bisher immer Nervenschlachten. Fast nie hat sie das Optimum erreicht. Weder bei ihren vier Silbermedaillen bei WM (2005 und 2007) und EM (2010 und 2012), schon gar nicht bei den drei medaillenlosen Fehlschlägen der WM 2009 in Berlin (Fünfte beim Sieg von Steffi Nerius) noch 2011 (Vierte).

Weinend hatte Obergföll vor einem Jahr bei der WM in Daegu den Rang hinter den Medaillen zur Kennnis genommen und sich geschworen, endlich einmal was für die Stärkung der Psyche zu tun. „Ich habe zuletzt verstärkt mit dem Heidelberger Psychologen Hans Eberspächer zusammengearbeitet. Ich weiß jetzt mit einigen Dingen anders umzugehen. Aber eine Erfolgsgarantie ist das alles nicht.“

(Mit Material von dpa/SID)