Jubel bei den deutschen Kunstturnern. Erst holte Marcel Nguyen am Barren sein zweites Silber, dann jubelte auch Florian Hambüchen am Reck.

London. Einfach nur Freude über doppeltes Silber - da mussten die Gefühle raus: Nach einer beispiellosen Flugshow am Reck drückte Fabian Hambüchen seinen Bezwinger Epke Zonderland an die Brust, Marcel Nguyen fiel seinem Trainer nach der Barren-Entscheidung in die Arme. Es waren Emotionen, die das silberne Finale der deutschen Kunstturner nicht vergoldeten, aber veredelten.

„Das ist der größte Erfolg meines Lebens. Dieses Silber ist meine Nummer eins, noch vor dem WM-Titel. Ich habe alles auf den Punkt gebracht, aber ich wusste, dass ich nicht an Epke vorbeikommen kann, wenn er alles trifft. So eine spektakuläre Nummer macht keiner auf der Welt“, sagte der 24-jährige Hambüchen und wirkte dabei total zufrieden.

Zwei zweite Plätze an einem Tag gab es bei Olympia für die deutschen Gerätartisten seit Jahrzehnten nicht mehr und ließ die Beteiligten geradezu staunend zurück. „Über insgesamt dreimal Silber kann man nur froh sein“, sagte Chefcoach Andreas Hirsch, auch bei den Funktionären herrschte Glückseligkeit pur.

„Das war einer der größten olympischen Erfolge deutscher Turner“, sagte DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam, Ex-Weltmeister Eberhard Gienger wurde noch deutlicher: „Wir sind wieder wer!“ Hambüchen riskierte viel, aber nicht alles, doch selbst 16,400 Punkte waren für den Olympiasieg zu wenig. Zonderland schlug zurück. Die drei Sensationsflieger nacheinander gaben den Ausschlag, dem Niederländer wurden 16,533 Zähler zuerkannt. Dennoch brüllte Ex-Weltmeister Hambüchen seine Freude geradezu heraus und animierte das ohnehin schon enthusiastische Publikum zu noch mehr Beifall.

Mit 15,800 Punkten musste sich der zweimalige Europameister Nguyen an seinem „Schokoladengerät“ nur Ex-Weltmeister Feng Zhe beugen. Der Chinese turnte zwar nicht ganz so exakt wie Nguyen, aber letztlich entschied bei 15,966 Zählern der höhere Schwierigkeitswert zugunsten des 24-Jährigen, der sichtbar durchpustete, als sein Triumph unter Dach und Fach war.

Fast schon routiniert erklomm Nguyen das Siegertreppchen und winkte glückstrahlend den 15.000 Zuschauern in der North Greenwich Arena zu. Seinen Blumenstrauß warf er in die deutsche Fanecke.

„Ich habe mir einfach vorgestellt, ich sei in meiner Trainingshalle, das hat mich beruhigt“, sagte Nguyen. Er besaß nach seiner Übung sogar die Gelasseheit, sicherheitshalber schon mal die Schuhe mit dem richtigen Sponsor für die Siegerehrung bereitzulegen. Auch der Gewinn von Mehrkampf-Silber habe ihm Selbstvertrauen gegeben: „Die Spiele sind viel besser gelaufen, als ich es erwartet hatte.“

+++ Nguyen holt erste Medaille im Mehrkampf seit 1936 +++

Trainer Waleri Belenki dachte im Überschwang der Gefühle sogar schon an die Spiele von Rio 2016: „Dann können wir vielleicht schon an andere Medaillenfarben denken. Jetzt wird es wichtig sein, dass Marcel lernt, mit dem Erfolg richtig umzugehen.“

Mit einem chinesischen Doppelsieg endete die Entscheidung am Schwebebalken. Gold ging an Ex-Weltmeisterin Deng Linlin vor der aktuellen Titelträgerin Sui Lu. Die US-Amerikanerin Alexandra Raisman kam auf den dritten Platz.

Besser lief es am Boden für die 18-Jährige, die Mannschafts-Olympiasiegerin siegte vor Catalina Ponor aus Rumänien, Boden-Olympiasiegerin von 2004 in Athen, und der ehemaligen Mehrkampf-Weltmeisterin Alija Mustafina aus Russland.

Nach einem Ruhetag werden die olympischen Turnwettbewerbe am Donnerstag in der Wembley-Arena mit der Qualifikation in der Rhythmischen Sportgymnastik fortgesetzt. Dafür hat sich nicht nur die deutsche Gruppe qualifiziert, sondern auch die Einzelgymnastin Jana Berezko-Marggrander. (sid/abendblatt.de)