Dass der Freund der Ruderin Nadja Drygalla ein aktiver Neonazi ist, wurde in der Szene schon länger diskutiert. Jetzt muss auch die Politik reagieren.

Berlin/London. Nach Ende der Ruderwettbewerbe bei den Olympischen Spielen bleiben im deutschen Sport eine Menge Fragen offen. Nicht nach der sportlichen Vorstellung der deutschen Ruderer, die in London ausgesprochen erfolgreich waren. Es ist vielmehr das Privatleben von Nadja Drygalla und deren Liaison mit einem ehemaligen Ruderer, der eindeutig dem politisch rechtsextremen Lager zugeordnet werden darf, welches für heftige Diskussionen und gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Politik und Sport sorgt.

Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, hat kurz nach den ersten Diskussionen um Drygalla angekündigt, in einer Sitzung des Ausschusses im September über das Thema sprechen zu wollen. "Das muss schonungslos geklärt werden“, sagte die SPD-Politikerin. Vereinfacht gesagt, geht es um die Frage, wer hat was wann gewusst. Waren die Sportverbände schon vor der Nominierung der 23-Jährigen für die Spiele in London, wo sie im Achter startete, über deren Privatleben informiert? Für Freitag ist es einfach "undenkbar“, dass niemand informiert gewesen sein sollte, so wie es Spitzenfunktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) unisono erklären.

Der DOSB verantwortet in letzter Instanz die Nominierung der Olympia-Starter. Eine politische Gesinnung, wie sie der Freund der Rostocker Ruderin vertritt, hätte eine Nominierung vor dem Hintergrund der olympischen Werte sicher infrage gestellt. Doch vertritt Drygalla überhaupt diese Ansichten? Man müsse klar unterscheiden zwischen ihren eigenen Ansichten und ihrer politischen Orientierung sowie der ihres privaten Umfeldes, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach am Sonnabend in London. Aber um sich ein umfassendes Bild von dem ganzen Fall machen zu können, müsse man nach den Spielen nun abschließend klären, "wie sie in dieser Frage einzuschätzen ist.“

2011 aus Polizeidienst ausgeschieden

Bleibt die Frage offen, warum dies nicht vor den Spielen erfolgt ist. In der Ruder-Szene selbst wurde schon lange offen über das Thema gesprochen. "Wir haben intern öfter darüber diskutiert, dass wir solche Haltungen nicht tolerieren. Bei ihr war es ein offenes Geheimnis“, sagte Carina Bär aus dem deutschen Doppel-Vierer. Sie unterstrich ausdrücklich, dass damit die politische Gesinnung Drygallas gemeint sei. Mehrere andere Athleten bestätigten der dapd dies ebenfalls, wollten aber nicht zitiert werden.

+++ Neonazi-Verbindung: Der Fall der Ruderin Nadja Drygalla +++

Die 23-jährige Drygalla war bereits im Herbst 2011 aus dem Polizeidienst ausgeschieden, auch im Internet sind bereits seit langem Hinweise zu finden, dass die Sportlerin eine private Verbindung zu einem der rechtsextremen Szene nahestehenden Mann pflegt. Mit der Entscheidung, den Polizei-Dienst zu verlassen, schied sie auch aus der Sportfördergruppe aus. "Es hat schon 2011 sehr intensive Gespräche mit ihr gegeben, in die auch der Landessportbund und ihr Verein einbezogen waren“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier.

+++ Innenminister wusste von Drygallas Kontakten nach Rechts +++

Der Präsident des Landessportbundes Mecklenburg-Vorpommerns, Wolfgang Remer, bestätigte am Wochenende, dass der LSB über die private Verbindung der Sportlerin informiert gewesen sei. Der Dachverband DOSB sei darüber jedoch nicht in Kenntnis gesetzt worden. Thomas Bach zeigte sich dementsprechend verärgert über Wortmeldungen deutscher Politiker, die schnell Kritik an den Sportfunktionären geübt hatten. "Ich bin nicht nur verwundert, sondern erbost über Äußerungen aus der Politik in Deutschland, die da besagen, das war ja schon alles bekannt“, sagte der DOSB-Präsident: "Da kann ich nur fragen: warum hat man uns das dann nicht gesagt, wenn sie es gewusst haben, und warum äußern sie sich jetzt und nicht schon damals bei der Nominierung.“

Unterschwellige Aklagen

"Nadja ist bei uns nie durch rechtsradikales Gedankengut aufgefallen“, sagte der Vorsitzende von Drygallas Heimatklub ORC Rostock, Walter Arnold, dem Nachrichtenmagazin "Focus“: "Ich finde es erbärmlich, dass ein junges Mädchen in Sippenhaft genommen wird.“ Auch Remer stellte sich vor die junge Sportlerin. Sie selbst habe sich nichts zuschulden kommen lassen, sagte er in der ARD.

Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass Drygalla durch rechtsextreme Äußerungen auffällig geworden ist. In einem Gespräch mit Vertretern des Ruderverbandes Mecklenburg-Vorpommern hat sie sich bereits vor längerer Zeit von der rechtsextremen Szene distanziert. Dies tat sie auch gegenüber DOSB-Generaldirektor Michael Vesper vor ihrer Abreise am Freitag aus dem Olympischen Dorf, wie dieser in London erklärte. Vesper sagte weiter: „Sie hat in dem Gespräch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie voll und ganz hinter den Werten der Olympischen Charta steht.“

Vesper wird daran interessiert sein, die Kommunikationsstrukturen im deutschen Sport auf den Prüfstand stellen zu wollen. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Viola von Cramon, ebenfalls Mitglied im Sportausschuss, hatte in der Leipziger Volkszeitung bereits die Frage aufgeworfen, „ob die fördernden Sportverbände im Vorfeld nur ahnungslos waren oder bewusst beide Augen zugedrückt haben“.