Er ist verrückt nach seinem Sport und wurde mit einer Nominierung für die Weltmeisterschaft belohnt. Hürdensprinter Helge Schwarzer darf nach Berlin.

Hamburg. Wer sich mit Helge Schwarzer verabreden will, sollte vorher das Fernsehprogramm studieren. Es kann nämlich sein, dass gerade Leichtathletik übertragen wird, womöglich sogar ein Hürdensprint, und dann, das darf man nicht persönlich nehmen, muss Schwarzer leider absagen.

"Ich sauge alles auf, was ich über meinen Sport bekommen kann", sagt der 23 Jahre alte Mann vom HSV: "In gewisser Weise bin ich verrückt danach."

Es sei die Art Verrücktheit, die man brauche, um nichts zu vermissen, wenn man ein halbes Jahr auf Alkohol und Süßigkeiten verzichtet. Um sich in der Vorbereitungszeit beim Grundlagentraining zu schinden. Und um sich nichts daraus zu machen, wenn es mal wieder knapp wird auf dem Konto. Weil man hinter den vielen Hürden dieses eine große Ziel wähnt: die Weltmeisterschaften im eigenen Land.

Schwarzer stellt es sich schon jetzt vor: wie er in zwölf Tagen beim Vorlauf im Berliner Olympiastadion am Startblock steht und sein Name ausgerufen wird und tosender Beifall aufbrandet: "Das wird Gänsehaut pur, ein Adrenalinstoß." Er könne jene Hundertstelsekunden ausmachen, die am Ende darüber entscheiden, ob er es ins Halbfinale über 110 Meter Hürden schafft.

Eine Zeit um 13,60 Sekunden war dafür bei anderen Weltmeisterschaften nötig, hat Schwarzer gerade recherchiert. Er hat diese Marke mehrmals unterboten. Seine Bestzeit liegt bei 13,39 Sekunden, aufgestellt bei den deutschen Meisterschaften vor einem Monat. Nur zehn WM-Teilnehmer sind in diesem Jahr schneller über die zehn Hürden gekommen. "Das Halbfinale ist das Ziel", sagt Schwarzer, "alles andere Utopie." Vor allem aber will er sich nicht unter Wert verkaufen. Wenn er einen Lauf hinlege wie am vergangenen Sonntag in Bochum, als er lange führte und am Ende in 13,47 Zweiter wurde, dann sei er mit sich im Reinen, ob es nun zum Weiterkommen reiche oder nicht.

Es gab Zeiten, da hat der deutsche Vizemeister vor dem Rennen nervös den Wetterbericht studiert und sich nach den Windverhältnissen auf der Bahn erkundigt. Inzwischen habe er gelernt, alle Begleitumstände auszublenden. Gelernt, in seinem "Tunnel" zu bleiben, den ein Hürdensprinter vor Augen hat, wenn er am Start den Kopf hebt.

Am Montag geht es ins Bundesleistungszentrum Kienbaum, wo sich die Nationalmannschaft auf die WM vorbereitet. "Es ist gut, dass ich dort ein bisschen Ruhe bekomme", sagt Schwarzer. Seit seiner Nominierung hätten die Termine ein wenig überhandgenommen: Interviews, TV-Auftritte, Fotoshootings, die ihn als Leichtathleten und Graffitikünstler in Szene setzen.

Am Mittwoch war er in Berlin, wo ihm ein Sponsor ein Fahrzeug übergab. "Langsam beginnt sich der Einsatz auszuzahlen", sagt Schwarzer und schmunzelt. Er sucht die Öffentlichkeit, weil er ein gutes Vorbild abgeben möchte in Zeiten, in denen es zu viele schlechte gebe: "Ich will auch mal den Jungen zu Hause beeindrucken, der ich selbst war." Irgendwann könnte er dann der sein, um den zu erleben andere ihre Termine verschieben.

Helge Schwarzer schildert seine Erlebnisse vor und während der WM für das Abendblatt in einem Tagebuch. Für abendblatt.de hält er sie auf Video fest.