HSV-Handballer planen zweigleisig. Am Dienstag will der Club über den Gang zum Schiedsgericht endgültig entscheiden

Hamburg. Wenn die Geschäftsstellen-Mitarbeiter der Handball-Bundesliga (HBL) in Dortmund von den Geschehnissen des 18. Februar erzählen, können sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Geschäftsführer Frank Bohmann stand im regen SMS-Kontakt mit Andreas Rudolph, damals Präsident des Handball-Sport-Vereins Hamburg. Der Datenverkehr drehte sich um die HSV-Lizenz für 2014/15. Was für einen positiven Bescheid diesmal nötig wäre, fragte Rudolph und schlug vor, alles so zu machen wie in den vergangenen Jahren auch. So machen wir’s, soll Bohmann geantwortet haben; „danke“ simste Rudolph zurück, wie immer in kleinen Buchstaben. Anschließend teilte er allen Angestellten der HSV-Geschäftsstelle die Kündigung mit und trat in der Volksbank-Arena vor die Medien.

Seine dort getätigten Aussagen lassen sich in fünf Sätzen zusammenfassen. „Der HSV ist ein Sanierungsfall.“ „Diese Saison ist gesichert.“ „Wir erhalten die Lizenz auch für die nächste Spielzeit.“ „Der HSV ist noch niemandem etwas schuldig geblieben.“ „Wir wollen auch künftig um Titel spielen.“

Dreieinhalb Monate später gilt nur noch der erste Satz. Der HSV ist ein Sanierungsfall. Erst recht, seitdem Rudolph am 8. Mai sein Amt niederlegte und ankündigte, kein privates Geld mehr in den Verein zu stecken. 370 Tage nach dem Triumph in der Champions League scheint der Neustart in Liga drei unumgänglich. Schneller ist nie ein europäischer Spitzenclub abgestürzt.

„Reset for the Future“ hat HSV-Geschäftsführer Dr. Holger Liekefett im April sein Konzept genannt, um den Verein vom Tropf des über Jahre äußerst großzügigen Gönners zu lösen, in dessen Interesse – und in dessen Auftrag. Jetzt aber stellt sich erst einmal die Frage, ob die HSV-Handballer überhaupt eine Zukunft haben.

„Ja!“, sagt Liekefett mit großem Nachdruck und kämpft dafür mit Interimspräsident Frank Spillner an mehreren Fronten. „Wir wollen alle Chancen wahren und halten uns alle Optionen offen.“ Die erste ist der Gang vors Schiedsgericht der Bundesliga, um den von zwei Instanzen der HBL bestätigten Entzug der Bundesligalizenz im letzten Moment rückgängig zu machen. Spätestens am Dienstag erwartet der Verein das Gutachten eines Experten in Sportrecht, der die Chancen dieses ultimativen Schritts beurteilen soll.

„Wir wollen sehen, ob Verfahrensfehler begangen wurden. Es gibt dafür einige Ansätze“, sagt Aufsichtsratsmitglied und Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph, „das sind wir den Fans und der Mannschaft schuldig.“

Entscheidet sich der HSV für das Schiedsgerichtsverfahren, laufen die Planungen zweigleisig weiter. Bis zu einem endgültigen Bescheid, der erst Ende Juni erwartet wird, darf bis auf den schwedischen Kreisläufer Andreas Nilsson keiner der anderen acht verbliebenen Profis den Club verlassen. Nilssons Gehalt war – wie das des zum THW Kiel wechselnden Spaniers Joan Cañellas – bereits vom HSV herausgerechnet worden, als der Verein am 23. Mai bei der HBL einen auf etwa 5,5 Millionen reduzierten Etatplan für die nächste Bundesligasaison abgab.

Ein Neubeginn in der Dritten Liga ist inzwischen allerdings mehr als der Plan B, er scheint die realistische Variante zu sein. In Kontakten mit Sponsoren und Investoren ist dieses Szenario längst Hauptbestandteil der Gespräche. Und aus diesen Unterredungen hat Liekefett bislang den Eindruck gewonnen, dass es für einige Unternehmen durchaus interessant sein könnte, den deutschen Meister von 2011 auf dem Rückweg in die Bundesliga zu begleiten. Der würde im günstigsten Fall zwei Jahre dauern und dem Verein die Chance bieten, die byzantinische Abhängigkeit von den Rudolphs zu beenden, tragfähige Strukturen zu schaffen und eine junge, hungrige Mannschaft mit Lokalkolorit aufzubauen. Auch die Fans scheinen gewillt, dieses Projekt zu begleiten.

Stimmt das Konzept, wären die in Hamburg verwurzelten Profis Pascal Hens, 34, Torsten Jansen, 37, Matthias Flohr, 32, Stefan Schröder, 32, und Torwarttalent Max-Henri Herrmann, 20, wohl bereit, über ein Engagement in der Dritten Liga nachzudenken. Selbst die HBL würde ihre Hilfe wahrscheinlich nicht verweigern und von der Vollstreckung einer Konventionalstrafe über 160.000 Euro absehen, die fällig würde, weil die HSV-Spielbetriebsgesellschaft ihr Eigenkapital gegenüber dem Vorjahr um mehr als eine Million Euro verringert hat. Der Ligaverband verlangt in seinen Statuten von den Clubs eine Aufstockung um jährlich zehn Prozent.

Dass der Verein immer noch begehrte Vermögenswerte besitzt, wurde auf der Krisensitzung am Donnerstagabend klar. Aufsichtsrat Matthias Rudolph erklärte sich bereit, die Kosten für das Schiedsgerichtsverfahren, inklusive Anwalt belaufen sie sich auf 20.000 Euro, zu übernehmen, wenn er dafür die Champions-League-Trophäe mit nach Hause nehmen darf. Interimspräsident Spillner verweigerte erst einmal die Herausgabe. Der Verein will sich den Blick auf seine ruhmreiche Vergangenheit offenbar bewahren.