Am Donnerstag will der HSV Hamburg entscheiden, ob er gegen den Lizenzentzug vor das Schiedsgericht der Handball-Bundesliga zieht. Doch offenbar hat der Club bei den Antragsunterlagen zu hoch gepokert.

Hamburg. Am Mittwochmorgen fuhr Matthias Rudolph an der Zentrale der Handball-Bundesliga in Dortmund vor. Es sei ein spontaner Abstecher gewesen und ein kurzer obendrein, von Rudolphs Wohnort Bochum sind es nur rund 25 Kilometer. Doch der Mann, den der Aufsichtsrat und Hauptgesellschafter des Handball-Sport-Vereins Hamburg anzutreffen hoffte, war nicht an seinem Arbeitsplatz. Schon am Vortag habe Rudolph vergeblich versucht, Bundesliga-Geschäftsführer Holger Kaiser zu erreichen und die Hintergründe zu erfahren für die Nachricht, die die Handballnation erschüttert hatte: den Lizenzentzug für den HSV.

Am Mittag lag Rudolph die einstimmige Entscheidung von Lizenzierungskommission und Präsidium der Liga zumindest schriftlich als E-Mail vor. Was er darin las, habe ihn aber zunächst nicht entmutigt, im Gegenteil: „Die Begründung ist schon seltsam.“ So sei es unverständlich, dass der vereinbarte Gehaltsverzicht der Spieler deshalb nicht anerkannt worden sei, weil er unter dem Vorbehalt der Lizenzerteilung erfolgt sei. Auch dass das langjährige Sponsoring-Engagement der Firma GHD plötzlich in Zweifel gezogen worden sei, könne er nicht nachvollziehen.

Kurzum: Rudolph, 56, hält es zumindest nicht für aussichtslos, den Lizenzentzug vor dem Schiedsgericht der Liga anzufechten. Die Entscheidung, ob das Verfahren in die dritte Instanz geht, soll auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung des Vereins an diesem Donnerstagnachmittag fallen.

Theoretisch bliebe für den Einspruch noch Zeit bis zum kommenden Mittwoch. So lange kann und will der HSV nicht warten. Angesichts einer Deckungslücke von 2,7 Millionen Euro bis Saisonende droht akut die Insolvenz. Will der HSV den fälligen Gang vors Amtsgericht weiter hinauszögern, ist schnelles Handeln geboten. Denn bis zu einer Entscheidung des Schiedsgerichts könnten Wochen vergehen.

Sicher wäre nur, dass es noch im Juni erstmals zusammenträte. Sollte eine zweite Sitzung notwendig werden, könnte der Termin sogar in die neue Saison fallen. Als Vorsitzender würde der Stader Anwalt Frank Lau fungieren, der HSV Hamburg und die Liga dürfen je einen Beisitzer benennen. Das Dreiergremium würde dann die Entscheidung der Liga sowohl auf Rechts- als auch auf Verfahrensfehler prüfen. „Grundlage sind allein die vorliegenden Unterlagen“, sagt Lau, Vizepräsident des VfL Stade. Selbst wenn sich also ein neuer Hauptsponsor oder Investor für den HSV finden ließe, hätte dies keinen Einfluss mehr auf das finale Urteil.

Zu viel Wunschdenken

Die bislang eingereichten Papiere genügten den neuen Lizenzierungsbestimmungen offenbar nicht. Mehrere Angaben zu Sponsoringzahlungen und neuen Kommanditeinlagen seien vage und unverbindlich gewesen. Allerdings war am Mittwoch aus Ligakreisen auch zu hören, dass es selbst bei werthaltigen Unterlagen für den HSV wahrscheinlich nicht zur Lizenz gereicht hätte. Der Etatentwurf für die Saison 2014/15 hätte zu viel Wunschdenken und zu wenig belastbare Fakten enthalten.

Die Gutachter kritisierten, der Club habe bei den Personalkosten der Profis nur die Gehälter von acht Spielern angesetzt. In der zu Ende gehenden Saison stehen beim HSV noch 19 Spieler auf dem Gehaltszettel. Auch der erwartete Zuschauerschnitt von rund 8000 Besuchern erschien den Prüfern zu hoch.

Dass das Schiedsgericht die Entscheidung kassieren könnte, glauben selbst die Optimisten beim HSV nicht. Schon vor dem zweiten Lizenzantrag hatte man intern geprüft, in die freiwillige Insolvenz zu gehen und den Abstieg in die Zweite Bundesliga in Kauf zu nehmen. Damit hätte man sich von Andreas Rudolph unabhängig gemacht, der zwar als Präsident zurückgetreten war, den Verein aber über Darlehen und die Anteile seines Bruders Matthias weiter im Griff hat. Doch das Risiko von Schadenersatzforderungen erschien zu groß.

Einen Lizenzantrag für die Zweite Liga hatte der HSV daher nicht gestellt. Nun droht der Zwangsabstieg in die Dritte Liga, für sie müsste ebenfalls bis Mittwoch gemeldet werden. In diesem Fall würden auch die noch laufenden Spielerverträge unwirksam. Für die Profis drängt somit die Zeit, sich nach neuen Arbeitgebern umzusehen. Matthias Rudolph würde ihnen keine Steine in den Weg legen: „Sollten Spielern Angebote anderer Vereine vorliegen, müssten wir sie schon allein aus Gründen der Fairness gehen lassen.“