HSV-Handballer kürzen Kaderausgaben, um die Lizenz zu erhalten. 30:23-Sieg im letzten Saisonspiel gegen Emsdetten

Hamburg. Als alles vorbei war, das letzte Saisonspiel, ein launiges 30:23 (16:11) gegen Absteiger TV Emsdetten, die folgende emotionale Verabschiedung von Torhüter Marcus Cleverly, Zarko Markovic, Blazenko Lackovic und Domagoj Duvnjak und das Licht in der O2 World wieder anging, hatten die Fans des Handball-Sport-Vereins Hamburg immer noch nicht genug. Lautstark forderten sie „Zugabe, Zugabe!“, und wie es aussieht, wird ihnen dieser Wunsch erfüllt. Die Chancen, dass der deutsche Meister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 weiter in der Bundesliga werfen darf, sind seit diesem Wochenende erheblich gestiegen.

Der Kampf um die Lizenz, die dem HSV vor elf Tagen im ersten Durchgang von der Handball-Bundesliga (HBL) verweigert wurde, hat indes ihren Preis. In der nächsten Spielzeit werden die Hamburger nicht wie in den vergangenen acht Jahren um den Titel mitspielen können, selbst die erneute Qualifikation für den europäischen EHF-Pokal (Platz vier und fünf) klingt angesichts der ergriffenen Sparmaßnahmen utopisch. „Für die Mehrzahl unserer Anhänger wird das kein Problem. Wenn wir es schaffen, einen nachhaltigen Neuaufbau hinzubekommen, stehen wir weiter voll hinter diesem Verein und der Mannschaft, wie immer sie aussieht“, sagt der HSV-Ehrenrat und -Fanbeauftragte André van de Velde. Bei einer Fan-Aktion kamen beim Emsdetten-Spiel 2000 Euro zusammen.

HSV plant, seinen Gehaltsetat auf unter vier Millionen Euro zu senken

Freitagabend hatte der HSV der Bundesliga einen von 8,1 auf etwa 5,5 Millionen Euro geschrumpften Etat vorgelegt. Am Sonnabend bestätigte die HBL, dass die Pläne rechtzeitig auf der Geschäftsstelle in Dortmund eingetroffen seien. Eine Entscheidung werde jedoch nicht vor dem 3. Juni fallen. Beim HSV sind Aufsichtsrat und Präsidium trotz der verlängerten Frist zuversichtlich, mit den neuen Zahlen den Gutachterausschuss der HBL überzeugen zu können. Es gebe jetzt keinen Grund mehr, dem Verein die Lizenz vorzuenthalten, heißt es in Clubkreisen.

Der Optimismus gründet sich auf mehreren Säulen. Dank neuer Kommanditisten kann die Spielbetriebsgesellschaft, eine GmbH & Co. KG, ihr Kapital um bis zu eine Million Euro aufstocken. Das Geld wird benötigt, um unaufschiebbare Gläubiger-Forderungen zu begleichen. Bis zum Saisonende fehlen dem HSV zwar 2,7 Millionen Euro, fällig dürften bis zum 30. Juni aufgrund von Stundungen aber nur rund eine Million Euro werden. Mannschaft und Trainer tragen ihren Teil dazu bei. Sie verzichten auf das April-Gehalt, insgesamt rund 500.000 Euro. Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle waren zuletzt pünktlich bezahlt worden. Damit ist die Insolvenzgefahr vorerst abgewendet.

Zudem hat der zurückgetretene Präsident Andreas Rudolph seine Darlehen von rund zwei Millionen Euro, 850.000 Euro aus den vergangenen Monaten, in Besserungsscheine umgewandelt. Die müssen erst beglichen werden, falls der HSV Gewinn macht – was er in seiner Geschichte seit 2002 nie schaffte. Auch erhöht Hauptsponsor GHD, Rudolph ist in dem prosperierenden Unternehmen inzwischen Minderheitsgesellschafter, sein finanzielles Engagement für die nächste Saison. Bei den Zuschauereinnahmen wurde für die Saison 2014/15 ein Schnitt von rund 8000 angesetzt. In der zurückliegenden Serie zählte der HSV 8842 Besucher pro Spiel, 200 mehr als im Vorjahr. Das ist hinter dem immer ausverkauften Meister THW Kiel (10.285) der zweitbeste Zuspruch der Bundesliga.

Bei der Kaderplanung hat der Verein noch einmal abgespeckt, die Gehaltsausgaben um mehr als zwei Millionen auf unter vier Millionen Euro gesenkt. Neben den vier verabschiedeten Profis Cleverly (zu Kolding Kopenhagen), Markovic (Katar), Lackovic (Vardar Skopje) und Duvnjak (THW Kiel), deren Verträge im Juni auslaufen, sollen deshalb auch der spanische Spielmacher Joan Cañellas (Vertrag bis 2017) und der schwedische Kreisläufer Andreas Nilsson (2016) sofort gehen, um das Budget zu entlasten. Beide waren beim HSV keine Topverdiener. Kiel bekundet Interesse an Cañellas, der ungarische Meister MKB Veszprém an beiden. Veszprém, am Sonnabend in Köln Halbfinalgegner der Kieler im Final Four der Champions League, gehört dank eines Mäzens zu den zahlungskräftigen Handball-Adressen Europas.

Talent Kevin Herbst, 20, warf in seinem ersten Bundesligaspiel zwei Tore

Den vertragslosen Außen Torsten Jansen, 37, Matthias Flohr, 32, und Stefan Schröder, 32, sowie Abwehrchef Davor Dominikovic, 36, sollen nach erfolgter Lizenzierung neue Arbeitspapiere bis Juni 2015 angeboten werden. Blieben die vier, würde der Kader von derzeit 19 auf zunächst 13 Spieler reduziert. Die Konditionen der neun noch laufenden Kontrakte werden nicht geändert. Zwei Neuverpflichtungen für den momentan unterbesetzten Rückraum sind möglich, Talente statt Stars sind hier gefragt. Ein Eigengewächs machte gegen Emsdetten schon mal auf sich aufmerksam. Rechtsaußen Kevin Herbst, 20, warf bei seinem ersten zehnminütigen Bundesligaeinsatz zwei Tore.

Die wichtigste Aufgabe für die kommenden Monate umriss am Abend Aufsichtsratschef Wolfgang Fauter: „Wenn wir neue Investoren und Partner gewinnen wollen, müssen wir die künftige Rolle von Andreas und Matthias Rudolph klären.“ Sie könnte eine tragende bleiben, soll aber keine dominierende mehr sein. Die Rudolphs sind die größten Geldgeber des Clubs und haben als größte Anteilseigner bislang auch das Sagen. Die Verhandlungen werden schwierig. Das Chaos der vergangenen Wochen, darin sind sich beim HSV aber alle einig, darf sich nicht wiederholen.

Tore, Hamburg: Markovic 6, Schröder 4, Duvnjak 4, Hens 4, Lackovic 2, Herbst 2 (1 Siebenmeter), H. Toft Hansen 2, Nilsson 2, Mahé 2, Cañellas 1, Dominikovic 1; Zuschauer: 9828. Zeitstrafen: 1; Emsdetten: 3. Siebenmeter: 4 (1 verwandelt); 6 (2). Zum Saisonabschluss bestreitet der HSV Hamburg zwei Freundschaftsspiele am 10. Juni in Delmenhorst und am 13. Juni in Perleberg.