Vor dem Saisonfinale gegen Emsdetten reicht der Club einen neuen Lizenzantrag ein

Hamburg. Vor dem Spiel hat Hans Lindberg noch ein wichtiges Fotoshooting zu erledigen. Um 14.30 Uhr am Sonnabend wird sich der zurzeit verletzte Rechtsaußen der HSV-Handballer in einem silbernen Wohnwagen einfinden, der vor dem Eingang E1 der O2 World am Volkspark geparkt ist. Eine halbe Stunde lang können sich dann Fans zusammen mit Lindberg auf jener roten Coach fotografieren lassen, auf der in der Fernsehsendung „Nur die Liebe zählt“ einst Verliebte Videobotschaften an ihre Herzensdamen und -herren aufgezeichnet haben.

In diesem Fall geht es um die Liebe zu einem Profiverein, der am Abgrund steht und von dem man nicht weiß, ob es ihn in der nächsten Saison in seiner jetzigen Form überhaupt noch geben wird. In diesem Fall wäre das Foto nur ein Erinnerungsstück. Es kann für fünf Euro oder mehr erworben werden, wobei das Geld dem HSV zugutekommt. Dass das nicht reichen wird, um das Millionenloch zu schließen, das in der Bilanz klafft, weiß auch die Initiatorin Ann-Christin Bruszies. „Uns geht es einfach darum, zu zeigen, dass wir Fans voll hinter dem HSV stehen und inständig hoffen, dass es weitergeht.“

Einsparungen und frisches Kapital sollen die Lizenz retten

Es ist diese Hoffnung, von der das letzte Bundesligaspiel der Saison gegen den als Absteiger feststehenden Tabellenletzten TV Emsdetten (16 Uhr) überlagert wird. Die sportliche Brisanz ist eher herbeigewünscht. Theoretisch kann der HSV noch die SG Flensburg-Handewitt – sie spielt zeitgleich beim ebenfalls abgestiegenen Vorletzten Eisenach – von Platz drei verdrängen und somit auf die Champions-League-Qualifikation hoffen. Wahrscheinlich aber bleibt der noch eine Woche amtierende Champions-League-Sieger Vierter und spielt nächste Saison erstmals im EHF-Pokal – sofern er eine Lizenz bekommt.

Sie hatte die Bundesliga dem HSV vergangene Woche in erster Instanz verweigert. Der überraschende Rückzug von Präsident und Hauptsponsor Andreas Rudolph hatte eine siebenstellige Finanzierungslücke im Etatentwurf für die nächste Saison aufgerissen, die der Club auf die Schnelle nicht schließen konnte. Am Mittwoch dann wurde zunächst formell Beschwerde gegen den Lizenzentzug eingelegt. Am Freitagabend schließlich, wenige Stunden vor Ablauf der von der Liga eingeräumten Frist, wurden die erforderlichen Unterlagen für einen nachgebesserten Antrag eingereicht.

„Ich gehe davon aus, dass sie zielführend sind“, sagte Interimspräsident Frank Spillner. Konkret: Beim HSV ist man inzwischen zuversichtlich, auch in der nächsten Saison noch erstklassigen Handball in Hamburg anbieten zu können. Finanziert werden soll das durch eine Mischung aus Sparmaßnahmen, Kostensenkungen und frischem Kapital. Demnach will man alle Beschäftigten beim HSV dazu bewegen, Einbußen bei ihren Gehältern hinzunehmen. Mit Gläubigern und Dienstleistern wird über Nachlässe verhandelt.

Für die nötige Liquidität würden neue Kommanditisten sorgen. Rudolph soll in den vergangenen Tagen entsprechende Zusagen im Umfang von 800.000 Euro eingeholt haben. Der Medizintechnikunternehmer bleibt zwar bei seiner Haltung, sich nach fast zehn Jahren nicht mehr privat finanziell für den Verein engagieren zu wollen. Allerdings scheint er inzwischen bemüht, seine einstige Herzensangelegenheit HSV nicht vor dem Insolvenzgericht enden zu lassen.

Dieses Schreckensszenario drohte, wenn die Aprilgehälter nicht bis kommenden Montag überwiesen würden. Dank der in Aussicht gestellten Finanzspritze, die aus dem privaten und geschäftlichen Umfeld Rudolphs kommen soll, wäre diese Gefahr vorerst gebannt. Zudem bliebe die GesundHeits GmbH Deutschland (GHD), an der Rudolph Minderheitsanteile hält, nächste Saison Hauptsponsor. Auch der zweitwichtigste Geldgeber des HSV, die AOK Rheinland/Hamburg, soll an einer Verlängerung des auslaufenden Vertrags grundsätzlich interessiert sein.

Dass Rudolph von seinen Darlehen an den HSV – insgesamt zwei Millionen Euro – freiwillig zurücktreten könnte, hat er bislang aber nicht angedeutet. Ebenso wenig, ob er seinen Bruder Matthias zur Aufgabe seiner Anteile an der Spielbetriebs-GmbH bewegen will.

Zu klären bliebe auch, wie die künftige Mannschaft aussehen könnte. Drei Leistungsträger werden am Sonnabend verabschiedet: Welthandballer Domagoj Duvnjak wechselt nach fünf Jahren zum THW Kiel, der bei sieben Toren Rückstand auf Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen die 19. Meisterschaft noch nicht abgeschrieben hat. Sein kroatischer Landsmann und Rückraumkollege Blazenko Lackovic, seit 2008 beim HSV, hat bei Vardar Skopje unterschrieben, jenem mazedonischen Verein, der den HSV die Titelverteidigung in der Champions League gekostet hat. Und Torhüter Marcus Cleverly kehrt in seine dänische Heimat nach Kolding zurück.

Was aus den anderen fünf Profis wird, deren Verträge auslaufen, ist noch nicht abschließend geklärt. Den altgedienten Flügelspielern Matthias Flohr, Stefan Schröder und Torsten Jansen soll bereits ein Verbleib in Aussicht gestellt worden sein. Abwehrspezialist Davor Dominikovic konnte sich in einem Jahr HSV wenig Fürsprecher erspielen, Rückraumshooter Zarko Markovic immerhin ein paar mehr.

Sicher ist, dass Martin Schwalb weiter die sportliche Planung obliegt. Der Vertrag des Trainers, der sich mit Rudolph überworfen haben soll, gilt auch für die nächste Saison. Eine Unwägbarkeit freilich bleibt: Sollte die Nationalmannschaft im Play-off gegen Polen (7. Juni in Danzig, 14. in Magdeburg) die WM 2015 verpassen, könnte Schwalb als Bundestrainer ins Spiel gebracht werden. Dass er abgeneigt wäre, ist nach den Querelen dieser unglückseligen Saison zu bezweifeln.