Die HSV-Handballer erhalten in erster Instanz keine Lizenz für die kommende Bundesligasaison. Ein erster Rettungsversuch ist gescheitert

Hamburg. Zwei Stunden und 41 Minuten: So lange brauchte der Handball-Sport-Verein Hamburg am Donnerstagnachmittag, um sich zu einer Reaktion durchzuringen. Und dann waren es nur ein paar dürftige Zeilen, die nicht mehr Informationen enthielten, als was die Welt um 12.07 Uhr einer Mitteilung der Bundesliga (HBL) entnehmen konnte: Dem Club, der noch für zwei Wochen den Titel des Champions-League-Siegers führen darf, war für die nächste Saison die Lizenz verweigert worden, weil der Liga „der Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ fehlte. Der HSV hat nun eine Woche Zeit, um Beschwerde einzulegen.

Es wäre erstaunlich, wäre der Verein davon wirklich überrascht worden. „Wir werden Beschwerde einlegen und umgehend innerhalb der gesetzten Frist handeln“, ließ sich Geschäftsführer Dr. Holger Liekefett, 51, zitieren. Er muss seit Mittwochabend geahnt haben, dass man in erster Instanz durchfallen würde. Denn den Antragsunterlagen, die der HSV Ende Februar bei der HBL eingereicht hatte, fehlte noch immer das entscheidende Dokument: eine Bankgarantie, die die Millionenlücke zwischen den geplanten Ausgaben von 8,1 Millionen Euro und den bislang kalkulierten Einnahmen absichern würde. Für diese Saison hatte sich die Bundesliga offenbar noch mit einer mündlichen Versicherung Rudolphs zufriedengegeben. Die reichte diesmal nicht. Bis zuletzt hatten Liekefett und Interimspräsident Frank Spillner darauf gehofft, dass Andreas Rudolph einlenken würde. Tatsächlich hatte sich der Hauptsponsor und Mäzen, der am Donnerstag vergangener Woche sein Präsidentenamt niedergelegt hatte, erstmals aus der Schmollecke gewagt und Angebote gemacht, mit denen seiner Überzeugung nach die drohende Insolvenz der Spielbetriebs-GmbH & Co. KG abgewendet werden könnte. Mindestens 1,5 Millionen Euro fehlen kurzfristig, um die Saison wirtschaftlich zu überleben.

So hatte Rudolph die Spieler, deren Aprilgehälter seit nunmehr elf Tagen ausstehen, zu einem Verzicht gedrängt. Er solle entweder einen Monatslohn betragen oder aber die Profis würden für drei Monate nur in Höhe des Insolvenzgelds (5950 Euro) plus einem individuell auszuhandelndem Aufschlag entlohnt werden. Die Spieler – sie wurden von Rudolph selbst einst zu Topkonditionen verpflichtet – sollen grundsätzliche Bereitschaft signalisiert haben. Johannes Bitter und Stefan Schröder gingen am Donnerstag jedenfalls ihren Pflichten nach, verkauften am Hauptbahnhof Tickets für das letzte Heimspiel am 24. Mai gegen Emsdetten.

Allerdings stand diese Vereinbarung für Rudolph unter dem Vorbehalt einer sofortigen Lizenzerteilung ohne Auflagen. Sie ist somit hinfällig. Auch andere Vorschläge des Medizintechnikunternehmers erwiesen sich bislang als nicht praktikabel. So soll er dem Verein in Aussicht gestellt haben, über neue Kommanditisten aus seinem geschäftlichen und privaten Umfeld weitere 800.000 Euro an Einlagen und damit an verfügbarem Kapital heranzuschaffen. Unter einer Bedingung: Der HSV solle sich im Gegenzug verpflichten, in den nächsten Monaten Sponsorengelder in gleicher Höhe einzuwerben. Mit ihnen hätten weitere Schulden bezahlt werden können. Allein bis zum Saisonende summieren sich die Forderungen aller Gläubiger auf 3,55 Millionen Euro.

Der Deal hätte die Abhängigkeit des Clubs von Rudolph weiter verstärkt. Schon jetzt fühlen sich manche im Verein dem Willen des langjährigen Gönners hilflos ausgesetzt. Die Sorge, Rudolph könnte sein einstiges Lieblingsspielzeug nun achtlos fallen lassen, ist zu Recht groß. Dabei gibt es konkrete Vorstellungen, wie der Fortbestand des Profihandballs in Hamburg auch ohne Rudolph gesichert werden könnte: Der Etat müsste von 9,6 auf etwa fünf Millionen Euro reduziert werden. Zwei Millionen Euro davon würden durch den Erlös aus dem Kartenverkauf abgedeckt, die übrigen drei Millionen müssten aus Sponsoring- und sonstigen Einnahmen bestritten werden.

Ein ehrgeiziges, aber sicher kein unmögliches Vorhaben, das auch die Gnade der HBL-Lizenzierungskommission finden könnte. In der Bundesliga, so heißt es, sei man bereit, die Richtlinien aufs Äußerste zu dehnen, um den Prestigestandort Hamburg zu erhalten. Ein Großsponsor und zahlreiche kleinere Partner haben dem HSV bereits signalisiert, ihr Engagement unter diesen Bedingungen verlängern zu wollen. Doch derzeit ist der Club nur bedingt handlungsfähig. Rudolph, 59, kontrolliert über seinen Bruder Matthias, 56, die Mehrheitsanteile an der Spielbetriebsgesellschaft. Sie zurückzugeben ist die Medizinunternehmerfamilie offensichtlich nicht gewillt. Zwar erklärte Aufsichtsrat Matthias Rudolph dem Abendblatt kürzlich, er sei gern bereit, seine Anteile zu veräußern. Wie ernst diese Äußerung zu nehmen ist, weiß beim HSV allerdings niemand.

Zudem ist kaum damit zu rechnen, dass sich in der aktuellen finanziellen Lage ein Käufer findet. Denn die GmbH ist nicht erst durch die Kosten der laufenden Saison finanziell schwer belastet. Über die Jahre des Prassens hat sich eine enorme Bugwelle von Verbindlichkeiten aufgetürmt, die abfließen zu lassen wohl nur Andreas Rudolph das Kapital hätte. Er hat an den HSV noch Darlehensforderungen von zwei Millionen Euro und lässt keine Bereitschaft erkennen, davon zurückzutreten. Zwar müsste er das Geld auch bei einer Insolvenz abschreiben, könnte es dann aber steuerlich als Verlust geltend machen. Vor allem scheint er nicht gewillt, dem HSV eine Chance zur Eigenständigkeit zu geben. Sein neuer Geschäftsführer Liekefett, zu dem das Verhältnis inzwischen auf Tiefsttemperatur abgekühlt ist, mochte dennoch nicht alle Hoffnung fahren lassen: „Wir sind nach wie vor in Gesprächen und geben nicht auf.“ Am Donnerstagnachmittag traf er sich mit Sportsenator Michael Neumann, um die Lage zu erörtern. Eine politische Lösung wird es nicht geben. Die Stadt kann für einen Proficlub nicht bürgen.