Die Rhein-Neckar Löwen spielen derzeit den attraktivsten Handball. Am Wochenende können sie in Hamburg den Durchbruch schaffen

Hamburg. Das Training der Rhein-Neckar Löwen am Freitagnachmittag ließ Thorsten Storm aus. Stattdessen zeigte der Manager seinem sieben Monate alten Sohn den Tierpark Hagenbeck, neben dem die Löwen passenderweise ihr Quartier während der Pokalendrunde bezogen haben. Dass seine Handballmannschaft weiß, was am Wochenende in der O2 World auf dem Spiel steht, darum braucht sich Storm nicht zu sorgen, und das war bei den sechs vorangegangenen Final-Four-Teilnahmen wohl nicht immer so: Es geht um den Gewinn des ersten nationalen Titels der Vereinsgeschichte.

„Das wäre der Durchbruch für uns“, sagt Storm, „und es würde uns die Arbeit in den nächsten Jahren unheimlich erleichtern.“ Schon der Gewinn des europäischen EHF-Pokals im vergangenen Frühjahr habe sich für die Mannheimer ausgezahlt. Der Etat und die Zahl der Dauerkarten konnten erhöht werden – gegen den allgemeinen Abwärtstrend, den der Handball erlebt. Der Hospitality-Bereich in der heimischen SAP-Arena, in dem die zahlungskräftigen Gäste bewirtet werden, ist sogar ausverkauft, Interessenten können sich auf eine Warteliste setzen lassen.

Wer hätte gedacht, dass Blau-Gelb einmal zur Farbe der Saison im Handball werden würde? Vermutlich nicht einmal Storm: „Wir waren doch der unsympathischste Verein in Deutschland, der Buhmann für alles.“ Es war die Zeit, in der Jesper Nielsen den Verein führte, ein dänischer Schmuckhersteller (KasiGroup, Pandora), der zwar über viel Geld verfügte, nicht aber über Sachverstand, wie ein Proficlub zu führen ist. Er verpflichtete Spieler wie den Hamburger Krzysztof Lijewski, die Trainer Gudmundur Gudmundsson nicht wollte, formulierte nassforsche Kampfansagen – und die Mannschaft, eine zusammenhanglose Ansammlung von Stars, scheiterte zuverlässig mal mehr, mal weniger kläglich an den hohen Zielen.

Vor drei Jahren musste Nielsen sein ehrgeiziges Handballprojekt aufgeben. „Die Trennung war ein Meilenstein“, sagt Storm, „auch wenn sie finanziell ein Loch gerissen hat.“ Um fast ein Drittel musste der Etat reduziert werden. Das sei nur möglich gewesen, indem man die Spieler von dem Sanierungsplan überzeugte – und all die gehen ließ, die nicht überzeugten.

Inzwischen ist aus der einstigen SG Kronau/Östringen die vielleicht attraktivste deutsche Handballmannschaft geworden. Die Spieler schwärmen von einem nie erlebten Zusammenhalt. Seit der krachenden Niederlage beim HSV Mitte Dezember (25:38) ging kein Ligaspiel mehr verloren. Vergangene Woche setzte man sich im Champions-League-Achtelfinale gegen den polnischen Meister Kielce durch, bei dem viele frühere Löwen-Stars untergekommen sind. Und am Mittwoch kann man den THW Kiel als Tabellenführer ablösen.

Storm, 49, hat das Spitzenspiel bereits angeheizt, indem er dem THW vorwarf, in seinem Kader zu wildern. Vor allem auf den dänischen Weltklassetorwart Niklas Landin hat es Kiel abgesehen. Storm schwingt sich bei seinen Verteidigungsreden zum Anwalt aller Clubs auf: „Wenn Niklas nach Kiel geht, wird unsere Liga doch genauso langweilig wie die ungarische oder die spanische, wo ein Verein dominiert.“

Wie auch immer die Saison noch ausgeht, den größten Auftritt dieses Handballjahres werden die Löwen haben: Am 6. September eröffnen sie im Frankfurter Fußballstadion die neue Saison gegen den HSV. In die Gemütslage der Hamburger – eine verunsicherte Mannschaft, große Geldsorgen, ein unberechenbarer Mäzen Andreas Rudolph – können sie sich in Mannheim vielleicht am besten hineinversetzen. Sie haben sich aus einer vergleichbaren Bedrängnis befreit. Das sollte den Hamburgern Mut machen.