Handball-Präsident Rudolph kündigt Geschäftsführer Wendt, garantiert aber die Lizenz für die nächste Saison

Hamburg. Gegen 16 Uhr am Dienstagnachmittag hat Andreas Rudolph, 58, das getan, war er in seinem erfolgreichen Berufsleben gewöhnlich lieber anderen überlässt. Der Präsident der HSV-Handballer sprach eine Kündigung persönlich aus. „Im gegenseitigen Einvernehmen“, sagte er später, habe er sich von Vereinsgeschäftsführer Christoph Wendt, 38, mit sofortiger Wirkung getrennt. Es war nicht die einzige Entscheidung, die Rudolph an diesem Tag traf, den er dann als „unheimlich und sehr frustrierend“ bezeichnete.

Auch allen Mitarbeitern der Geschäftsstelle mit unbefristeten Verträgen überreichte der Präsident, Hauptsponsor und Mäzen schriftliche Kündigungen, insgesamt sieben Personen. Mit den meisten will der Verein dennoch in Zukunft weiter zusammenarbeiten. Über das Wie und für wie viel soll demnächst verhandelt werden. Die Manpower wird gebraucht, um den Betrieb in den nächsten Monaten aufrechtzuerhalten. „Wir müssen jetzt alle stärker zusammenrücken“, sagte Rudolph der geschockten Belegschaft. Der HSV sei ein Sanierungsfall, die Lage sei dramatischer als vor neun Jahren, als Rudolph im Januar 2005 die Insolvenz des Clubs im letzten Moment verhinderte. Es habe sogar zwischenzeitlich Überlegungen gegeben, wegen fehlender Liquidität die Bundesliga-Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden.

Die Sorge um den Verein, berichtete Rudolph, hätte ihm schlaflose Nächte bereitet. Gelöst hat er die Probleme nach bekanntem Muster: mit eigenem Geld. 560.000 Euro streckte Rudolph zuletzt im Februar den HSV-Handballern vor, um Gehälter, Mieten und andere Forderungen zu begleichen. Weil bis zum Saisonende Anfang Juni weitere Einnahmen eher spärlich fließen werden, aber noch kalkulierte Ausgaben von rund 1,7 Millionen Euro auf den Club zukommen, muss Rudolph diese Finanzspritzen in den nächsten drei Monaten wohl wiederholen. Dazu scheint er bereit. „Insolvenz war nie ein ernsthaftes Thema. Wir werden diese Saison anständig zu Ende bringen. Und die Lizenz für die nächste werden wir auch bekommen.“ Die Unterlagen dafür müssen bis Ende nächster Woche bei der Handball-Bundesliga (HBL) in Dortmund eingereicht werden. Der Etat für 2014/2015 soll zwischen 7,5 und 8,0 Millionen Euro liegen. „Den können wir decken“, sagte Rudolph.

Für die Gründe der erneuten Schieflage nannte Rudolph zwei Zahlen: Die Einnahmen in der Meistersaison 2010/2011 hätten 9,6 Millionen Euro betragen, drei Jahre später seien sie bei annähernd gleich gebliebenen Kosten auf 7,2 Millionen gesunken. Rund 2000 Zuschauer im Schnitt hat der HSV in dieser Zeit verloren, zudem zahlungskräftige Sponsoren. Im Sommer scheidet mit dem japanischen Elektronikkonzern Sharp ein weiterer großer aus. Hinzu kommt: Vermarkter Kentaro, der zwischenzeitlich vor der Insolvenz stand, schuldet dem HSV mehr als zwei Millionen Euro. Das Geld versucht der Verein jetzt beim Mutterkonzern in der Schweiz, der für seine deutsche Tochter gebürgt hatte, einzutreiben.

Grundsätzlich seien an dem Sponsorenausfall mehrere Faktoren schuld, sagte Rudolph: die handballerische Großwetterlage, das Versagen der deutschen Nationalmannschaft, aber auch die eigene Unfähigkeit, trotz Champions-League-Siegs im vergangenen Juni neue Geldgeber zu finden und sich ihnen dann vorteilhaft zu präsentieren. Dafür machte Rudolph Geschäftsführer Wendt mitverantwortlich. Dessen Nachfolger, meint der Präsident, müsse nicht zwangsläufig aus dem Sport kommen. Ein Kandidat in den vergangenen Wochen soll indes ein ausgewiesener Handballexperte gewesen sein, Kiels ehemaliger Manager Uwe Schwenker, 54. Eine Einigung blieb am Ende aus.

Die Mannschaft, auch das hat bei Rudolph Methode, bleibt von den angekündigten radikalen Sparmaßnahmen vorerst verschont. Alle Verträge werden eingehalten, kein Profi muss um sein Geld zittern. „Unsere Maxime hat sich nicht verändert: Wir wollen weiter um Titel spielen, und wir werden auch in der nächsten Saison eine schlagkräftige Mannschaft zusammenhaben“, sagte Trainer Martin Schwalb, 50.

Sieben der acht am 30. Juni dieses Jahres auslaufenden Kontrakte werden allerdings nicht verlängert. Allein die Weiterbeschäftigung von Rechtsaußen Stefan Schröder, 32, wurde am Dienstag verkündet. Nicht nur das: Der Publikumsliebling und gelernte Immobilienkaufmann soll zusätzlich in die Akquise von Sponsoren einsteigen. „Er wird das Gesicht des HSV“, sagte Rudolph.

Gehen müssen die Kroaten Blazenko Lackovic und Davor Dominikovic, der Montenegriner Zarko Markovic und wohl auch die HSV-Urgesteine Matthias Flohr und Torsten Jansen. Torhüter Marcus Cleverly hatte bereits vor einem Monat zum 1. Juli bei Kolding Kopenhagen unterschrieben. Welthandballer Domagoj Duvnjak wechselt im Sommer nach Kiel. Aus diesem Transfer stehen dem HSV 200.000 Euro zu, die Duvnjak laut Vertrag an seinen alten Arbeitgeber zu zahlen hat. Der THW hatte sich gegenüber seinem künftigen Spielmacher bereit erklärt, diese Forderung zu begleichen. Nach dem am 26. Dezember verlorenen Bundesligaspiel in Kiel hatte der HSV dem THW angeboten, Duvnjak sofort ziehen zu lassen. Die Kieler konnten und wollten die dann schon zum Jahreswechsel fällige Ablösesumme aber nicht zahlen.