Die HSV-Handballer werfen beim 24:27 im Champions-League-Duell in Flensburg den Sieg weg. 22:17 hatten die Hamburger eine Viertelstunde vor dem Ende noch geführt.

Flensburg. Von der Schönheit dieses Moments sangen die Zuschauer in der Flens-Arena noch lange nach dem Spiel und davon, dass man so etwas lange nicht mehr gesehen habe. Was schlichtweg nicht stimmt. Zehn Tage zuvor hatte ihre SG Flensburg-Handewitt den HSV Hamburg in der Handball-Bundesliga mit 31:29 besiegt. Gar so besonders konnte dieser 27:24 (11:13)-Sieg dann doch eigentlich nicht gewesen sein.

War er aber. Denn wie der HSV, der amtierende Champions-League-Sieger, in der Schlussviertelstunde eingebrochen war und sich so in die erste Saisonniederlage in seinem neuen Lieblingswettbewerb gefügt hatte, das hatte man in der Tat lange nicht gesehen. „Dieses Spiel“, sagte der frühere Nationalmannschaftskapitän Frank von Behren, einer von 4057 Augenzeugen, „konnte der HSV gar nicht mehr verlieren. Er hat sich selbst geschlagen.“

22:17 hatten die Hamburger eine Viertelstunde vor dem Ende geführt, am Sieg und damit wohl auch am Gewinn der Vorrundengruppe D war eigentlich nicht mehr zu zweifeln gewesen. Was danach passierte, ist schwer in Worte zu fassen. HSV-Trainer Martin Schwalb versuchte es trotzdem. Er sprach von Leichtsinn, individuellen Fehlern, einem Mangel an Aufmerksamkeit in der Deckung und an Cleverness im Angriff. Und dann sagte Schwalb einen bemerkenswerten Satz: dass er seine Spieler hinterher zu gern in den Arm genommen und ihnen gedankt hätte für das tolle, engagierte Spiel, das sie gezeigt hätten. Stattdessen müsse er jetzt wohl schimpfen.

Vermutlich hat er es sich verkniffen. Die Niederlage an sich lässt sich ja verschmerzen. Der HSV bleibt Tabellenerster und hat den Gruppensieg weiterhin selbst in der Hand. Der 32:27-Heimerfolg gegen die Flensburger fünf Tage zuvor hatte Schwalb die Freiheit gegeben, im Rückspiel die Zukunft des HSV über 60 Minuten auf die Probe zu stellen: Kentin Mahé, 22, als Spielmacher, Petar Djordjic, 23, auf Halblinks, Henrik Toft Hansen, 26, am Kreis. Sie alle sollen in den nächsten Jahren den sportlichen Stil der Mannschaft prägen.

An diesem Donnerstag gelang ihnen das mit Bravour – aber eben nur eine Dreiviertelstunde lang. Da scherte sich Djordjic nicht darum, dass er von seinem ehemaligen Publikum wieder mit Schmähungen bedacht wurde und seine ersten drei Würfe sämtlich geblockt wurden. Er warf einfach weiter und begann irgendwann auch zu treffen, achtmal insgesamt bei allerdings 19 Versuchen. Da bestach Mahé mit gewitzten Pässen und gelungenen, leichtfüßigen Einzelaktionen. Da hielt Davor Dominikovic die Abwehr diesmal zusammen, und dahinter berauschte sich Torwart Marcus Cleverly im Tor an seinen eigenen Sensationsparaden. Johannes Bitter, Domagoj Duvnjak, Blazenko Lackovic und Kapitän Pascal Hens bestaunten all das vom Spielfeldrand aus. Sie, die HSV-Stars der Gegenwart, beschränkten sich auf die Rolle der Handtuchhalter.

Vermutlich wäre auch Hans Lindberg draußen geblieben, aber Stefan Schröder (Magenschleimhautentzündung) stand für dieses Spiel ebenso wenig zur Verfügung wie Zarko Markovic (Schulter), weshalb Lindberg und Adrian Pfahl auf der rechten Seite weitgehend auf sich gestellt waren.

Selbst als Lindberg nach einem groben Foul an Anders Eggert die Rote Karte sah (51. Minute) und der starke Jacob Heinl die daraus resultierende Flensburger Überzahl zum 23:23-Ausgleich nutzte, blieb Schwalb seinem erklärten Motto für dieses Spiel („Jugend forscht“) treu: „Es ging darum, Erfahrung zu sammeln, da muss ich den Jungs doch Vertrauen schenken.“

Es wurde ihm nicht gedankt, auch weil die Flensburger „den größeren Willen hatten“, wie von Behren bescheinigte, und sich so auf das Derby gegen Kiel am Sonntag einstimmten. Der HSV dürfte dann gegen Lübbecke (17.15 Uhr, O2 World) eine andere Mannschaft abgeben als in dieser Partie. Was die Aufstellung betrifft, in jedem Fall.

Tore, Flensburg-Handewitt: Eggert 9 (6 Siebenmeter), Weinhold 6, Mogensen 4, Heinl 3, Nenadic 2, Svan 2, Knudsen 1; HSV: Djordjic 8, Mahé 4, Lindberg 4 (2), Pfahl 3, Toft 3, Flohr 1, Jansen 1. Schiedsrichter: Dentz/Reibel (Frankreich). Zuschauer: 4057. Zeitstrafen: 3; 2. Rote Karte: Lindberg wegen groben Foulspiels (51.).