Bei der 29:31-Niederlage in Flensburg ließen die HSV-Handballer Zweikampfhärte vermissen. Verlassen sich die Stars zu sehr auf die anderen?

Hamburg. Von Drasko Nenadic war bis vor Kurzem nicht viel mehr bekannt, als dass er gern Biografien liest, Musik aus seiner serbischen Heimat hört und seinen Urlaub am liebsten auf Mallorca verbringt. Die SG Flensburg-Handewitt hatte ihn im Sommer kurzfristig vom spanischen No-Name-Verein Guadalajara für den linken Rückraum verpflichtet, weil Nationalspieler Lars Kaufmann langfristig auszufallen drohte. Seit Sonntagabend weiß die Handballwelt, dass Nenadic, 23, auch ein Mann ist, der Spitzenspiele entscheiden kann. Neun Tore hat er beim 31:29-Sieg Flensburg-Handewitts gegen den HSV Hamburg erzielt und dazu noch vorzügliche Deckungsarbeit geleistet. „Er hat das Spiel seines Lebens gemacht“, sagte Martin Schwalb.

Hamburgs Trainer hatte in besagter Partie alle drei seiner nominellen Halblinken eingesetzt. Aber weder Kapitän Pascal Hens noch den früheren Flensburgern Petar Djordjic und Blazenko Lackovic wollte auch nur ein Tor gelingen. Am Ende musste Spielmacher Joan Cañellas auf der sogenannten Königsposition aushelfen, der einzige Hamburger Rückraumspieler, von dem in diesem Bundesliga-Gipfeltreffen so etwas wie Torgefährlichkeit ausging.

17 Topspieler stehen dem Champions-League-Sieger in dieser Saison zur Verfügung. Nur 16 darf Schwalb pro Spiel nominieren, einsetzen in der Bundesliga gar nur 14. Der große, vorzügliche Kader sollte dem HSV einen entscheidenden Vorteil verschaffen, wenn im Winter aufgrund der zunehmenden Belastung die Verletzungssaison im Handball beginnt. Im Moment scheint dieser Kader selbst eine Belastung zu sein. Dass beim HSV in Flensburg „zu vielen die Tagesform fehlte“, wie Schwalb analysierte, ist zwar richtig. Aber dass zu viele nicht die Zweikämpfe angenommen hätten, das kann und darf nicht richtig sein.

Die leidenschaftlich kämpfende SG-Deckung hatte auf den HSV-Rückraum offenbar Eindruck gemacht. Die Risiken und Nebenwirkungen ihrer aggressiven Gangart – zwölf Siebenmeter und eine Rote Karte für Spielmacher Thomas Mogensen – konnten die Flensburger am Ende verschmerzen, zumal der HSV drei Strafwürfe ungenutzt ließ. Sollte der große Kader einige etwa dazu verleiten, sich zu sehr auf den anderen zu verlassen und zu wenig auf sich selbst? Schon beim Pokalaus gegen Göppingen war man den Eindruck nicht losgeworden, dass nicht jeder Hamburger mit der letzten Hingabe um den Erfolg gekämpft hatte.

Schwalb bemühte sich in Flensburg nach Kräften, diesen Verdacht zu zerstreuen. Immerhin habe man der SG doch „in der Abwehr einen tollen Fight“ geliefert. Schon am Sonnabend im Champions-League-Duell in der O2 World gebe es Gelegenheit zur Revanche. Und was die Tabellensituation angeht, befinde man sich mit nun 18:6 Punkten als Fünfter doch in bester Gesellschaft mit den Flensburgern (21:5), Berlin (20:6) und den Rhein-Neckar Löwen (19:7): „Wir sind ja jetzt nicht abgeschlagen.“ Einzig der THW Kiel (24:2) sei etwas enteilt. „Ihn noch einzuholen wird für alle schwer.“