Nach der Auftaktpleite beim Bergischen HC wird ein Sieg gegen Rekordmeister THW Kiel am Sonnabend zur Pflicht.

Hamburg. Als Davor Dominikovic am Donnerstagmorgen um kurz nach sieben Uhr nach dreieinhalb Stunden unruhigen Schlafs aufwachte, fragte sich der Abwehrchef der HSV-Handballer ernsthaft, „haben wir gestern beim Bergischen HC wirklich verloren?“ Erst nach längerem Nachdenken rückte die 27:34-Niederlage vom Vorabend beim Bundesligaaufsteiger wieder schmerzhaft in sein Bewusstsein. „Erklären kann ich sie mir bis heute nicht“, sagt Dominikovic, „warum plötzlich alles das nicht funktionierte, was in den vergangenen Wochen zum Teil schon hervorragend geklappt hat.“

Mit Müdigkeit habe das alles wenig zu tun gehabt, die zuletzt sieben Spiele in zehn Tagen, die anstrengende Reise zum Super Globe nach Doha (Katar), alles das seien letztlich keine entscheidenden Faktoren gewesen, glaubt der 35-Jährige, „ich habe mich jedenfalls körperlich in guter Verfassung gefühlt“. Dennoch: Es habe im Angriff zu viele unabgestimmte Einzelaktionen gegeben, in der Abwehr habe meist der entscheidende halbe Schritt zum Gegner gefehlt, die gegenseitigen Hilfen blieben allzu oft aus. Dominikovics Fazit: „Wir waren einfach nicht konzentriert genug, aus welchem Grund auch immer.“ Der habe sich ihm selbst nach stundenlangen Diskussionen mit seinen Kollegen auf der nächtlichen Rückfahrt aus Solingen nicht erschlossen.

Auf für Trainer Martin Schwalb, 50, kam der Rückschlag zum Bundesligaauftakt „ein Stück weit überraschend“. Die Mannschaft hätte schwach angefangen und später nachgelassen, das habe er in dieser krassen Form nicht erwartet. Andererseits „gehören bei einem großen Umbruch, wie wir ihn gerade beim HSV vollziehen, solche Schmerzen dazu“. Das Team sei, als in Abwehr und Angriff die ersten Schwierigkeiten auftauchten, in Hektik gefallen, habe Sicherheit und Vertrauen verloren und sich aus dieser Todesspirale nicht mehr befreien können. Einer perfekt eingespielten Mannschaft passiere das nicht, „aber diese Mannschaft ist eben noch nicht perfekt eingespielt. Das braucht schon seine Zeit“. Die Geduld, die Schwalb für diesen Prozess einfordert, kann er sich am Sonnabendnachmittag (15 Uhr, O2 World) mit einem Sieg gegen Titelverteidiger THW Kiel verschaffen. „Wir haben uns selbst schwer unter Druck gesetzt“, weiß Kapitän Pascal Hens, 33, „gegen Kiel müssen und werden wir anders auftreten.“ Das verlangt vor allem Präsident Matthias Rudolph, 55, der nach der Pleite beim Bergischen HC den angestrebten Gewinn der zweiten deutschen Meisterschaft bereits in Gefahr sieht: „Wenn man Meister werden will, darf man wahrscheinlich auch in dieser Saison nicht mehr als acht Punkte abgeben. Zwei sind es bereits. In den nächsten 33 Bundesligaspielen können wir uns also nicht mehr viel erlauben.“ Spielmacher Domagoj Duvnjak, 25, bleibt dagegen optimistisch: „Ich will in meiner letzten Saison für den HSV so viele Titel wie möglich holen, und ich gehe weiter davon aus, dass wir auch in der Bundesliga noch alle Chancen haben, um Meister zu werden.“ Der Kroate wechselt im nächsten Sommer zum THW Kiel. Über die genauen Gründe seines Umzugs schweigt sich Duvnjak immer noch aus. „Es war eine schwere Entscheidung“, betonte er am Donnerstag noch einmal, „vielleicht war sie richtig, vielleicht war sie falsch. Ich hoffe nur, sie wird akzeptiert.“

Gegen den THW Kiel hatte Duvnjak vor drei Monaten in Köln im Halbfinale der Champions League eines seiner besten Spiele für den HSV gemacht, für Schwalb war der 39:33-Sieg „das perfekte Spiel“, das bisher beste in der elfjährigen Vereinsgeschichte der Hamburger. „Ich brauchte fast gar nicht einzugreifen, alles lief wie von selbst.“ Damals habe er die Mannschaft aber drei Wochen auf den THW einstellen können, diesmal bleiben nur zwei Tage Zeit.

Am Sonnabend treffen zwei neu formierte Teams aufeinander. „Wir haben neun neue Spieler, Kiel vier. In der Grundformation des THW hat sich jedoch wenig geändert“, sagt Schwalb. Die Rolle des dänischen Spielmachers Rasmus Lauge Schmidt, 22, sei der wichtigste Unterschied gegenüber der vergangenen Saison. „Kiel verfügt weiter über eine sehr hohe Qualität. Ich habe zudem den Eindruck, dass die Deckung variabler geworden ist.“ Die Lücken in der Abwehrformation, die der HSV-Trainer vor drei Monaten gefunden hatte, seien nun andere geworden. „Aber es gibt sie“, sagt Schwalb – und lächelt das erste Mal an diesem Tag.