Der HSV Hamburg gewinnt das Champions-League Finale 30:29 nach Verlängerung gegen Barcelona, die vermeintliche Übermacht aus Spanien. Es ist der größte Triumph der Vereinsgeschichte.

Köln. Um 20.27 Uhr am Sonntag war es endlich so weit. Ungeduldig warteten die HSV-Handballer seit Minuten auf den Pokal, der die größte Leistung in ihrer elfjährigen Vereinsgeschichte symbolisieren sollte. Schließlich überreichte der Franzose Jean Brihault, der Präsident des Europäischen Handballverbands EHF, Kapitän Pascal Hens die Trophäe, was ein Feuerwerk auf dem Podium auslöste und einen Sturm der Begeisterung auf den Tribünen.

Mit 30:29 (9:11, 25:25) hatten die Hamburger in der Kölner Lanxess-Arena das Finale der Champions League gegen den FC Barcelona gewonnen. Auf den Rängen fielen sich Fans, Präsidium -und Aufsichtsratsmitglieder in die Arme, auf dem Spielfeld vergossen Linksaußen Torsten Jansen und Co-Trainer Jens Häusler erste Tränen, und in den Katakomben der Arena präsentierte Vereinssprecher Christian Pöhls sein T-Shirt mit dem Aufdruck "Simply The Best". Am kommenden Sonntag empfängt Bürgermeister Olaf Scholz das Team auf dem Rathausbalkon.

"Es ist unfassbar, was diese Mannschaft in diesen zwei Tagen geleistet hat. Ich bin unglaublich glücklich", sagte Cheftrainer Martin Schwalb. Aus den Lautsprechern schallte dazu der Gassenhauer "So seh'n Sieger aus". Die feierten bis tief in die Nacht. Am Montagmittag trifft die Mannschaft gegen 12.40 Uhr auf dem Flughafen Fuhlsbüttel ein. Die nächste Party soll beim letzten Saisonheimspiel am Mittwoch (19 Uhr, O2 World) gegen den TBV Lemgo steigen. "Ich bin jetzt unfassbar happy", jubelte der Halbrechte Marcin Lijewski, "keiner hat mit uns gerechnet. Diese Siege sind die allerschönsten." Zum kollektiven Triumph kam der individuelle. HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg, 31, wurde als bester Torschütze dieser Champions-League-Saison ausgezeichnet. Der Däne traf 101-mal.

+++ DER SPIELVERLAUF ZUM NACHLESEN +++

"Wir sind sehr stolz, was wir hier geleistet haben. Nicht viele hatten uns diesen Coup zugetraut, wir haben aber immer an uns geglaubt und die Chance genutzt", meinte Hens später auf der Pressekonferenz. Er sei jedoch traurig, dass hier nur Softdrinks und Wasserflaschen vor ihm ständen. "Ich denke, dass sich das in den nächsten Stunden wahrscheinlich dramatisch ändern wird."

Mit dem Gewinn der Champions League hat sich der HSV die Chance eröffnet, auch in der nächsten Saison in der Meisterklasse antreten zu dürfen. Die Hamburger sind jetzt für das Wildcard-Turnier Anfang September qualifiziert, das sie als Tabellenfünfter der Bundesliga verpasst hätten. Und die Chancen sind zudem gestiegen, Spielmacher Domagoj Duvnjak über dessen Vertragsende am 30. Juni 2014 in Hamburg halten zu können. Der Kroate wollte eine Mannschaft um sich haben, mit der er große Titel gewinnen kann. Er hat sie beim HSV. Nach dem letzten Bundesligaspiel am 8. Juni in Melsungen will HSV-Präsident Matthias Rudolph die Verhandlungen wieder aufnehmen. Rudolph: "Ich hoffe, dass wir nun noch bessere Karten haben."

Dass die Abwehrreihen das Finale bestimmen würden, war zu erwarten. Die der Katalanen präsentierte sich dabei in der ersten Halbzeit noch aggressiver. Sie griffen die Hamburger früh an, oft rückte der gesamte Deckungsverbund bis an die Neunmeterlinie vor und neutralisierte die Wurfkraft des Rückraums, der das Halbfinale am Sonnabend gegen Kiel entschieden hatte. Und hinter dieser dichten Formation stand der bosnische Torhüter Danijel Saric meist genau richtig, parierte in der ersten Halbzeit jeden zweiten Ball.

Sein Gegenüber Johannes Bitter stand ihm in Reaktionsschnelligkeit und Stellungsspiel kaum nach, doch wenn Siarhei Rutenka vor der HSV-Hintermannschaft hochstieg und aus neun Metern abzog, hatte selbst Hamburgs Nummer eins keine Abwehrchance. Dennoch: In der 33. Minute hätte Lindberg mit einem Siebenmeter zum 11:11 ausgleichen können, er scheiterte jedoch am rechten Fuß von Saric.

Weil im modernen Handballer aber alles ganz schnell geht, lag der HSV nur eine Minute später 10:13 zurück, drei Minuten später wiederum erzielte Duvnjak mit einem Tempogegenstoß das von der Mehrzahl der Zuschauer bejubelte 13:13. Die Begeisterung steigerte Igor Vori noch, als er den HSV zum 16:15 (43.) erstmals in Führung warf.

Die Einwechslungen von Regisseur Michael Kraus ("Der Trainer hatte mir schon nach der Partie gegen Kiel gesagt, dass das gegen Barcelona mein Spiel werden könnte") und von Linksaußen Fredrik Petersen hatten sich ausgezahlt. Es war der überragende Kraus, der mehr Dynamik - und sechs Tore - in den HSV-Angriff brachte, und der quirlige Petersen sorgte mit fünf Treffern zusätzlich für Unruhe in der inzwischen nicht mehr so standhaften Deckung Barcelonas. Fünfeinhalb Minuten vor Schluss verwandelte er einen Tempogegenstoß zum 24:20. Es war noch nicht die Entscheidung. Barcelonas eingewechselter Torhüter Arpad Sterbik erzwang die nächste Wende und schaffte die Voraussetzung, dass Victor Tomas mit dem 25:25 (59.) die Verlängerung erzwingen konnte. In den zusätzlichen zehn Minuten verteidigte der HSV diesmal seinen Vorsprung, den Duvnjak, Kraus, Lindberg und Petersen herausgeworfen hatten. Bitter hielt ihn fest.

Schon am Vortag hatten die Hamburger eines der besten Spiele ihrer bisherigen Geschichte gezeigt. Beim 39:33-(19:16)-Triumph im Halbfinale über Titelverteidiger THW Kiel ragten Duvnjak, an seinem 25. Geburtstag, und sein Zimmerkollege Hens, 33, heraus. Duvnjak verwandelte elf seiner 13 Torwürfe, Hens acht von elf.

Tore, HSV: Kraus 6, Lindberg 6 (3 Siebenmeter), Petersen 5, Duvnjak 4, Lijewski 3, Vori 2, Jansen 2, Lackovic 2; Barcelona: Rutenka 8 (2), Tomas 7, Nöddesbo 3, J. Garcia 3, Gurbindo 3, Sarmiento 2, Montoro 1, Sorhaindo 1, Stranovsky 1. Schiedsrichter: Abrahamsen/Kristiansen (Norwegen). Zuschauer: 19.750 (ausverkauft). Zeitstrafen: 4; 4. Halbfinale: Barcelona - Kielce (Polen) 28:23, Hamburg - Kiel 39:33; Finale: Hamburg - Barcelona 30:29 n. V. Platz drei: Kielce - Kiel 31:30.