Johannes Bitter und Mattias Andersson entscheiden die vier anstehenden Handballspiele des HSV Hamburg gegen die SG Flensburg-Handewitt.

Hamburg. Dass Torhüter ein Handballspiel entscheiden, ist keine neue Erkenntnis. Dem Duell zwischen dem Hamburger Johannes Bitter, 30, und dem Flensburger Mattias Andersson, 35, kommt in den vier anstehenden Spielen ihrer Clubs in der Bundesliga, im Pokalhalbfinale und im Viertelfinale der Champions League indes besondere Bedeutung zu. Es ist der Zweikampf der zurzeit besten Schlussmänner der Bundesliga, vielleicht der Welt. Ihre Fangquoten sind mit Werten zwischen 40 und 50 Prozent, manchmal sogar darüber, überragend. Andersson und Bitter werden in den nächsten drei Wochen den Unterschied ausmachen zwischen Sieg und Niederlage, Saisonerfolg oder -misserfolg. An diesem Dienstag (19.10 Uhr; Sport1) treffen in der Flens-Arena die deutschen Ex-Meister, der Tabellendritte und der -fünfte, das erste Mal aufeinander. Wollen die Hamburger dem Gegner noch dessen Rang ablaufen, der zur direkten Champions-League-Teilnahme für die nächste Saison berechtigt, müssen sie dieses Spiel gewinnen.

Mattias Andersson wird das verhindern wollen, so wie er zuletzt die Angreifer der Füchse Berlin zur Verzweiflung brachte. Gerade 16-mal konnten sie ihn überwinden. Flensburg warf 27 Tore und siegte in Berlin überraschend souverän. Dass der 1,85 Meter große Schwede im fortgeschrittenen Sportleralter zur zentralen Figur seiner Mannschaft werden würde, diese Wendung seiner Karriere war nicht abzusehen. Sieben Jahre lang, von 2001 bis 2008, musste sich Andersson beim THW Kiel hinter den Welttorhütern Henning Fritz und später Thierry Omeyer anstellen. "Man sollte wissen, welche Rolle man in einem Team zu spielen hat. Und die hat man zu akzeptieren", sagt Andersson über diese für ihn "lehrreiche Zeit", in der er immerhin fünfmal deutscher Meister wurde. Sein Können durfte er ab 2008 beim TV Großwallstadt zeigen - und seit 2011 in Flensburg. Die vergangenen zwei Jahre seien die besten seiner Laufbahn, meint sein Trainer Ljubomir Vranjes. "Er ist in der Form seines Lebens", sagt der ehemalige Nationalspieler und Eurosport-Kommentator Frank von Behren.

Andersson ist ein Torhüter, der sich akribisch auf die Schützen des Gegners vorbereitet. Er sitzt stundenlang vor dem Bildschirm, studiert Videos, notiert sich Stärken und Schwächen. Er kennt die Wurfbilder jedes Bundesligaspielers, weiß ihre Lieblingsecken und vor allem um ihr Verhalten in Stresssituationen. Den Angreifern begegnet er auf dem Feld mit einer Mischung aus Aggressivität und Ruhe. "Die Körpersprache ist das Entscheidende", sagt Andersson, "du musst deinem Gegenüber vermitteln, dass du der Herr der Lage bist." Mit dieser Einstellung hielt er beim 35:29-Erfolg der Flensburger über den THW Kiel am zweiten Weihnachtsfeiertag gleich vier Siebenmeter. Das war die Basis für den ersten Sieg der Flensburger über den Nordrivalen nach zuvor 14 Niederlagen in Folge.

Die Qualitäten des 2,05 Meter großen Johannes Bitter sind dagegen seit Langem bekannt. 2007 wurde er Weltmeister und rettete der deutschen Nationalmannschaft damals den finalen Sieg über Polen, als er nach 40 Minuten für den verletzten Fritz ins Tor kam. Doch besser und konstanter als in den ersten Monaten dieses Jahres hielt auch Bitter nie - und das nach neun Monaten Verletzungspause wegen eines Kreuzbandrisses im rechten Knie. Er sei jetzt fitter als je zuvor, sagt Hamburgs Nummer eins, das Aufbauprogramm in der Reha habe seinen Körper stärker und stabiler werden lassen. Viele Übungen aus der Zeit des individuellen Trainings habe er nach seiner Genesung beibehalten. Trotz seiner Körpergröße sind inzwischen auch flach geworfene Bälle kein Problem mehr für ihn, Bitter ist schnell auf den Beinen und rechtzeitig mit seinen Füßen in den Ecken des Tores. Dass der HSV nach seiner Rückkehr Mitte Dezember nur zwei Spiele verlor, ein halbwegs unbedeutendes Champions-League-Heimspiel gegen Celje und das Gipfeltreffen in Kiel, schreiben seine Mitspieler auch ihrem Torhüter zu. Bitter ist mehr als ihr letzter Mann, sein Wort hat im Team und auf dem Feld Gewicht, seine Vorderleute hören auf ihn, wenn er lautstark Anweisungen gibt und Umstellungen in der Abwehr fordert. Einer wie er fehlte der Mannschaft. Und Bitter versteht es, das Publikum zu animieren, wenn er wieder einen dieser Würfe gehalten hat, die eigentlich nicht zu halten waren.

Der Schwede Dan Beutler spielt seitdem bei HSV nur noch die Rolle des Reservisten, der ab und zu für einen Siebenmeter an seinen Arbeitsplatz darf. Was er davon hält, ist in den vergangenen Wochen unschwer an der Miene des 35-Jährigen abzulesen: nämlich nichts. Jetzt hat Beutler ein finanziell lukratives Angebot aus dem Emirat Katar vorliegen, und er bat den HSV deshalb um die sofortige Freigabe aus seinem Vertrag, der bis zum 30. Juni läuft. HSV-Trainer Martin Schwalb möchte ihn nicht gehen lassen, - er braucht einen erfahrenen Ersatz für Bitter -, Präsident Matthias Rudolph schon, um noch zwei hohe Monatsgehälter sparen zu können. Eine Entscheidung soll nach der Pokalendrunde am Wochenende in Hamburg, dem Final Four, fallen. Die Zeichen stehen wohl auf Abschied.